Ein mörderischer Schatten (German Edition)
Deutschlands schienen sich auf genau die Autobahnen zu konzentrieren, die auf ihrer Route lagen. Toni dachte an die bisherige Fahrt. Wenn sie denn mal freie Fahrt gehabt hatten, dann waren sie gefangen gewesen zwischen LKW, die die komplette rechte Spur belegten. Toni war in ständiger Angst gefahren, dass irgendein Lastwagenfahrer den kleinen Fiesta, der ihr inmitten der Lastwagen ungefähr so groß vorkam wie eine Ameise, übersah und einfach überrollte. Hinzu kamen die unzähligen Wohnwagen, die von Stunde zu Stunde immer mehr wurden. Warum war sie nicht am Wochenende gefahren? Da wären ihr wenigstens die Laster erspart geblieben. Toni stellte den Motor ab und kramte in ihren Blättern, auf denen sie sich die Route zu ihrem Ziel ausgedruckt hatte. Füchsin, die sie war, hatte sie sich noch eine Alternativroute ausgedruckt, die sie von Hannover aus über Landstraße zu ihrem Ziel führte, sollte es zu viele Staus auf der Autobahn geben. Als sie jetzt dem Verkehrsbericht lauschte, entschloss sie sich, den Rest der Reise über besagte Landstraße zurückzulegen. Viel schneller war sie bisher auf der Autobahn auch nicht vorangekommen, denn wenn sie einmal den Mut gehabt hatte, ihre Lücke zwischen den LKW zu verlassen und nach links auszuscheren, hatte sie aufs Gaspedal gedrückt wie Mark bei seinem Start bei McDonalds. Der Motor hatte jedes Mal geheult, als würde er jeden Moment platzen und so vollgeladen, wie der Fiesta war, fuhr er dennoch nicht sehr viel schneller als die Lastwagen und Wohnwagen. Wenn Toni es dann endlich geschafft hatte, einen Laster zu überholen, nachdem sie zuvor eine riesige Schlange hinter sich auf der linken Spur verursacht hatte, hatte sie feststellen müssen, dass sie nun genauso zwischen zwei Lastern eingequetscht war wie vorher, nur dass sie eine Position vorgerückt war. Seufzend faltete Toni nun die riesige Deutschlandkarte aus, die sie sich geleistet hatte und studierte ihre restliche Strecke. Sie mussten jetzt noch einmal so viele Kilometer fahren, wie sie bisher zurückgelegt hatten. Bei dem Gedanken hätte Toni am liebsten geschrien. Sie sah auf die Uhr. Der Routenplaner hatte für die knapp 680 km rund sechs Stunden ausgerechnet. Toni hatte noch einmal 45 min. für Rast eingeplant und nochmal großzügig eine Stunde draufgepackt, da sie nicht so schnell fuhr. Sie hatte vorgehabt, um zehn loszufahren und wollte gegen 18 Uhr am Campingplatz angekommen sein. Sie sah auf die Uhr. Sie waren um kurz nach zwölf losgefahren und nun war es kurz vor fünf. Toni faltete die Karte zusammen und schnallte sich los. „Kommt Kinder. Alle noch mal aufs Klo, ehe wir weiterfahren“, rief sie übertrieben fröhlich zu ihren Kindern, deren unverwüstlich gute Laune auf den letzten fünfzig Kilometern ein wenig gelitten hatte.
Drei Stunden später fragte Toni sich, ob sie versehentlich irgendwo falsch abgebogen waren und Deutschland schon verlassen hatten. Vielleicht waren sie doch schneller vorangekommen, als sie gedacht hatte und sie befanden sich im tiefsten Polen. Jedenfalls konnte Toni sich nicht vorstellen, dass Deutschland so viel Wald besaß. Die letzten Anzeichen von Zivilisation hatte Toni vor einer halben Stunde gesehen, als sie eine winzige Ortschaft durchfahren hatten und der riesige Wald, durch den sie jetzt immer noch fuhren, begonnen hatte. Tonis Theorie vom Ausland wurde kurz darauf widerlegt, als der Wald sich lichtete und sie in eine größere Ortschaft fuhren, die ein großes Straßenschild in deutscher Sprache zu bieten hatte. „Oh, seht Kinder“, rief sie, „Da steht es schon: Müritz Nationalpark .“ So mussten sich die Siedler in Amerika gefühlt haben, als sie Indianerterritorium durchquert hatten und endlich auf eine Poststation trafen. Tonis aufgeregte Stimmung legte sich wieder ein wenig, als sie weiterlas und erkannte, dass sie immer noch knapp hundert Kilometer fahren mussten.
„Sind wir denn bald da?“, fragte Thea weinerlich. Auch die Kinder konnten sich nicht mehr für die schöne Gegend begeistern. Das erkannte Toni unter anderem daran, dass diese Frage in den letzten Stunden von beiden Kindern gefühlte fünfzig Mal gestellt worden war.
„Jetzt ist es nicht mehr weit, Kinder“, log Toni als sie den Ort verließen und wieder in das Halbdunkel eines weiteren Waldes fuhren.
Es war vollkommen unmöglich, dass sie hier richtig war , dachte Toni, als sie einige Zeit später immer nur noch mehr Bäume passierten. Sie warf einen Blick auf ein
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