Ein mörderischer Schatten (German Edition)
verlassenes, prächtiges Herrenhaus, das einsam und allein am Wegesrand lag, inmitten des riesigen Waldes. Ein paar Kilometer weiter fuhren sie an einem kleinen verlassenen Haus vorbei, an dessen Front verblichen „Zur Waldschenke“ stand. Daneben war ein Schild mir dem Schriftzug „Zu verkaufen“ in die Erde gerammt. Wer kaufte hier eine Wirtschaft? Das war der Stoff, aus dem Horrorfilme gesponnen wurden. Im Film wäre die Gaststätte geöffnet und sie würde mit ihren Kindern anhalten, um sich eine Erfrischung zu genehmigen. Bis der verrückte Eigentümer plötzlich die Axt rausholte. Toni schauderte. Jetzt, da sie einmal in der Stimmung war, fiel ihr ein weiterer Film ein, den sie dumm genug gewesen war, sich damals mit Sabine anzusehen. Eine Familie fuhr in Campingurlaub und geriet in der Einsamkeit in die Fänge eine Gruppe verrückter Menschenfresser, die unentdeckt von dem Rest der Menschheit im riesigen Wald hauste. Oder war es eine Wüste gewesen? Auf jeden Fall konnte Toni sich lebhaft vorstellen, wie jeden Moment ein von geheimen Atomexperimenten entstellter, Menschenfleisch fressender Verrückter aus dem Wald trat und vor ihr Auto sprang. Jetzt wo sie an besagte Familie aus dem Horrorstreifen dachte, kam sie nicht umhin, gewisse Parallelen mit ihrer eigenen Situation zu entdecken. Toni seufzte. Warum hatte sie früher auch so viele Horrorfilme geguckt? Aber das war eine Leidenschaft von Sabine gewesen. Toni seufzte nochmal.
Gegen kurz nach neun, viel, viel Wald, und sogar ein paar echte Störche später, rollten sie die lange Straße entlang, die zu ihrem Campingplatz führte. Toni stellte ihren Wagen auf dem Parkplatz vor der Rezeption ab und marschierte mit den Kindern hinein. Zum Glück hatte die Rezeption noch geöffnet, doch leider musste Toni erfahren, dass die Schranke, die die Durchfahrt zum Platz versperrte, von 21 Uhr bis zum folgenden Morgen geschlossen blieb.
„Wie bitte?“ Toni sah auf ihre Armbanduhr. „Es ist zehn nach neun. Da können Sie doch noch eben aufmachen!“
„Tut uns lei d. Sie können aber das Auto hier stehen lassen und zu Fuß zu ihrer Unterkunft laufen.“
Toni dachte an das Bettzeug und die Toilettenartikel, die sie benötigten und an die Lebensmittel, die sie heute noch zu konsumieren gedachte und stöhnte. „Sie haben nicht zufällig jemanden, der da mir anpacken könnte?“
„Nein, tut mir leid.“
Toni fiel die Security mit den kräftigen Bodybuilder-Sicherheitsmännern ein. Die halfen für ein Trinkgeld bestimmt gerne tragen. „Was ist mit dem Sicherheitsdienst? Vielleicht-.“
Toni wurde vom Lachen der Angestellten unterbrochen. Sie lachte!
„Wir haben hier keinen Sicherheitsdienst. Das ist hier auf unserem Platz nicht nötig“ , klärte die Dame sie auf.
„Oh.“ Hatte ihre Mutter sie falsch informiert. „Ich weiß nicht mal, wo der Wohnwagen liegt.“
„Auf wen läuft der Stellplatz?“
„Hochmann .“
Die Dame an der Rezeption warf einen Blick auf den Monitor. „Das wäre 71A.“ Sie zückte einen Plan und drückte ihn Toni schließlich in die Hand, nachdem sie den Weg zum Wohnwagen darauf eingezeichnet hatte.
Verdutzt blickte Toni auf den Plan. Der Platz erschien riesig. „Nun, danke. Wiedersehn. Kommt Kinder.“
Draußen holte sie ihre Handtasche und die Oberbetten der Kinder. „Hier, ihr nehmt eure Kopfkissen.“ Sie stapften an der Schranke vorbei die ewig lange Auffahrt entlang, die mitten im Wald zu enden schien Nach einer Weile machte die Straße plötzlich eine scharfe Biegung nach rechts. Als sie um die Ecke gebogen waren, blieb Toni stehen. Sie sah die steile Auffahrt entlang den Berg hinauf. Dort oben sah sie die ersten Wohnwagen. Wie waren die da hoch gekommen? Sie stapften die von Bäumen gesäumte Straße nach oben und stellten, dort angekommen, fest, dass der Platz wirklich so groß war, wie er auf dem Plan erschienen war. Von hier oben hatte man einen guten Blick auf den gesamten unter ihnen liegenden riesigen Platz. Toni sah, wohin sie auch blickte, nur Bäume und Wohnwagen. Der Campingplatz wurde von drei Seiten von Wald gesäumt. Nur an der linken Seite schimmerte ein großer See. Davor standen kleine Chalets, die man wohl mieten konnte. Toni hievte das Bettzeug vor sich zurecht und versuchte, einen Blick auf den Plan zu werfen, den sie in ihrer Hand zerknittert hatte. Dann marschierte sie weiter geradeaus. „Wenn ihr einen Spielplatz seht, sagt Bescheid. Da müssen wir abbiegen“, sagte sie. „Ich seh nämlich
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