Ein mörderischer Schatten (German Edition)
hier die Platte abpaddelten. Deshalb auch das Regencape. So Leute waren ja für alles gerüstet. Aber trotzdem… „Kinder, wir paddeln doch noch ein wenig weiter.“
Nach zehn Minuten hielten sie wieder an. Der Kanufahrer hatte etwas länger Rast gemacht, doch bald auf seine ursprüngliche Distanz aufgeholt, kam aber nicht näher. Er konnte also schneller paddeln, wollte aber Abstand halten. Nun noch etwas mehr beunruhigt, hielt Toni wieder an. Als auch der Mann sich wieder Treiben ließ, wusste Toni genug. Nervös blickte sie sich um. Sie kam sich vor wie am Amazonas. Dicht bewachsene Ufer, dahinter Bäume, wie sollte es anders sein. Vor ihr Wasser und hinter ihr Wasser. Und der einsame Ruderer. Toni nahm noch einmal die Karte zur Hand. Verdammt, sie konnte doch eine Karte lesen! Selbst wenn sie an der einen Stelle falsch abgebogen waren, müssten sie schon längst auf einem der größeren Seen angekommen sein. Noch einmal sah sie zurück. Wenn sie umdrehte, was würde der Mann machen? Auch wenden? Oder sie konfrontieren? Toni schüttelte den Kopf über ihre Macken. Das konnte doch unmöglich jemand sein, der sie verfolgte. Sie hatte bestimmt wirklich Paranoia. Sie sah auf ihre Kinder, die einen Heidenspaß hatten. Warum musste sie nur immer hinter allem etwas Schlechtes vermuten? Nur einmal wollte sie so sorglos und unbeschwert sein wie die beiden. Aber das war sie ja ein paar Tage lang gewesen, fiel ihr ein. Bis jetzt. Toni ergriff das Ruder. Sie konnte nicht anders. Das Benehmen des Mannes kam ihr merkwürdig vor. „Kommt, Kinder. Wir versuchen jetzt mal, so schnell zu rudern, wie wir können“, rief sie und begeistert ruderten die beiden los.
Toni sah hinter sich und bemerkte, wie auch der Mann sich wieder anschickte, loszurudern. Sie sah wieder nach vorne und zwang sich, sich nicht mehr umzugucken, sondern sich auf ihr Vorwärtskommen zu konzentrieren. Der Weg wurde immer schmaler, der Mann folgte in immer demselben Abstand und Toni wurde immer ängstlicher.
„Mama, da hinten seh ich ein großes Boot“, rief Thea.
Toni kniff die Augen zusammen. Tatsächlich! Da vorne war der See! „Juchuu, Kinder. Wir sind gerettet.“
Thea und Simon lachten sie aus. Sollten sie doch denken, sie hätte Spaß gemacht. Toni paddelte noch etwas fester, was nur zur Folge hatte, dass ihre Schlangenlinien wieder größer wurden. Aber da vorne waren wieder jede Menge anderer Leute und Toni war ungeduldig, sie zu erreichen.
Verwundert stellte sie fest, dass sie wieder an ihrem Campingplatz angelangt waren. „Thea, Simon, wir sind im Kreis gerudert. Irgendwie.“
„Wir sind wieder zu Hause!“, rief Thea erstaunt, als auch sie den Badestrand und die einzelnen Wohnwagen erkannte, die zwischen den Bäumen zu sehen waren.
Erleichtert, nicht noch einmal stundenlang rudern zu müssen und vor allen Dingen sich nun auf dem belebten See sicherer fühlend, wartete sie auf den einsamen Kanufahrer, um einen näheren Blick auf ihn zu erhaschen. Doch er ruderte nun mitten auf dem See entlang. Ein paar Minuten beobachtete sie, wie er langsam über den See glitt, ehe er in einem der anderen schmalen Wasserkanäle verschwand. Ob sie wieder überreagiert hatte? Warum war sie nur so verrückt? „Kommt, Kinder. Genug gerudert. Jetzt hab ich Hunger“, sagte sie und paddelte zum Bootsverleih.
Toni schloss die Wohnwagentüre ab und marschierte langsam über den Campingplatz. Vorhin war sie mit den Kindern runter zur Schranke gelaufen, und hatte ihre Eltern angerufen. Glücklich hatte sie zugehört, wie Thea und Simon ihren Großeltern begeistert alles über die vergangenen Tage berichtet hatten. Als sie von der heutigen Kanufahrt erzählt hatten, hatte sich auch wieder Besorgnis in Tonis gute Stimmung geschlichen. Sie hatte sich gezwungen, anschließend genauso gut gelaunt zu klingen wie ihre Kinder, als sie an der Reihe war, mit ihren Eltern zu sprechen. Doch nun hatte sie das Bedürfnis, jemandem ihre Sorgen mitzuteilen. Und dieser Jemand war Mark. Er hatte sie noch einmal angerufen, als sie im Tierpark gewesen waren. Er hatte gesagt, er hätte wieder Mittagspause und hätte auf gut Glück versucht, sie zu erreichen. Das war am Mittwoch gewesen. Und an den darauffolgenden Tagen hatte Toni versucht, zur Mittagszeit immer erreichbar zu sein. Und Mark hatte sie auch jedesmal angerufen. Heute, am Samstag, war sie ja mit den Kindern im Kanu unterwegs gewesen und er hatte sie nicht erreichen können. Ob es aufdringlich wirkte, wenn sie
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