Ein mörderischer Sommer
wird!«
»Warren?« rief Joanne. Sie hatte die Stimme ihres Bruders beinahe nicht erkannt. »Was redest du denn da? Was soll das denn?«
»Man will deinen kleinen Bruder zum Star machen – kein Geringerer als Steven Spielberg! Warte mal – Gloria soll dir alles erzählen.«
»Gloria, was ist denn mit meinem Bruder los?« fragte Joanne lachend, als ihre Schwägerin ans Telefon gekommen war.
»Es stimmt«, verkündete Gloria. Ihre Stimme klang heiser. »Kannst du dir das vorstellen? Ich verrichte jahrelang Sklavendienste in diesem Metier, und wie weit komme ich? Dein Bruder entbindet einfach irgendeinen Star, und prompt wird er Steven Spielberg vorgestellt, der gerade einen Gynäkologen als Berater für einen neuen Film sucht. Er wirft einen Blick in Warrens blaue Augen und beschließt, ihm eine kleine Rolle zu geben. Im August beginnen die Dreharbeiten. Ich bin so neidisch! Na ja. Wie läuft es denn so bei euch an der Ostküste? Wann kommt ihr endlich mal hierher und seht euch Disneyland an?«
»Bei uns ist alles in Ordnung«, log Joanne. Im Reich der Illusionen hatte die Wirklichkeit keinen Platz, das sah sie ein. Außerdem, warum sollte sie Warren und seine Frau, die fünftausend Kilometer weit weg lebten, beunruhigen? »Ich gebe dir jetzt noch einmal deinen Bruder«, verkündete Gloria.
Joanne und Warren unterhielten sich kurz miteinander. Warren erzählte seiner Schwester alle Neuigkeiten; Joanne verschwieg ihm alle.
»Geht es euch wirklich gut?« fragte er, als das Gespräch sich dem Ende zuneigte.
»Warum sollte es uns schlechtgehen?« erwiderte Joanne; dann legte sie auf.
Robin stand an der Tür.
»Viele Grüße von Onkel Warren.«
Robin ließ sich auf den Stuhl fallen, auf dem kurz zuvor ihre Schwester gesessen hatte, und gähnte laut.
»Ich wundere mich, daß du so früh aufgestanden bist. Gestern nacht ist es ja ziemlich spät geworden. Es war schon nach drei, oder?« Sie stellte ein Glas Orangensaft auf den Tisch. Robin leerte es in einem Zug.
»Ich habe nicht auf die Uhr gesehen.«
»Aber ich, und ich will nicht, daß du noch einmal so spät heimkommst«, teilte Joanne ihr ruhig, ohne jede Strenge, mit. »Ist das klar?«
Robin nickte.
»War die Party lustig?« fuhr Joanne freundlich fort.
»Nicht besonders.«
»Warum bist du dann so lange geblieben?«
»Wir sind nicht lange geblieben.«
»Wer ist ›wir‹?«
»Scott und ich.«
»Wer ist Scott?«
»Ein Junge eben.« Robin sah ihre Mutter schüchtern an. »Er ist wirklich nett. Er würde dir gefallen.«
»Ich möchte ihn kennenlernen. Wenn du das nächstemal mit ihm ausgehst, kannst du ihn doch vorher kurz hierherbringen.«
»Ja klar«, stimmte Robin hastig zu.
»Ist er in deiner Klasse?«
»Nein. Er geht nicht zur Schule.«
»Er geht nicht zur Schule? Was macht er denn dann?«
»Er spielt Gitarre in einer Rockband.« Robin rutschte verlegen auf ihrem Stuhl hin und her.
»Er spielt Gitarre in einer Rockband«, wiederholte Joanne. Irgend etwas in ihrer Stimme erinnerte sie an Eves Mutter. »Wie alt ist er?«
Robin zuckte mit den Achseln. »Neunzehn, vielleicht zwanzig.«
»Dann ist er zu alt für dich.«
»Er ist überhaupt nicht zu alt für mich!« widersprach Robin. »Die Jungen in meinem Alter sind richtige Babys!«
»Du bist auch eins!«
Robin warf ihr einen haßerfüllten Blick zu.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Joanne. »Du bist kein Baby. Trotzdem, zwanzig ist zu alt für dich. Was macht er denn sonst noch, außer … Rock?«
Wieder zuckte Robin mit den Achseln.
Joanne biß sich auf die Lippe. »Wo hast du diesen Scott denn kennengelernt?«
»Bei irgendeiner Party.«
»Und wann?«
»Weiß nicht. Vor einem Monat vielleicht. Hör mal, ich habe doch gesagt, daß ich ihn dir das nächstemal vorstellen werde. Was willst du denn noch?«
Joanne nickte schweigend. Robin stand auf und ging aus der Küche.
Gerade als oben ein lauter Streit zwischen den Schwestern ausgebrochen war, begann das Telefon zu klingeln. »Kinder, bitte!« rief Joanne zu ihnen hinauf, während sie nach dem Hörer griff. »Hallo?« Sie schloß die Küchentür, damit das Geschrei nicht hereindrang.
»Mrs. Hunter …«
Joanne erkannte die seltsame Stimme sofort wieder. »Ja?« fragte sie. Sie hatte Angst und wußte nicht warum.
»Haben Sie die Seite dreizehn der Morgenzeitung gelesen?«
»Ja.« Sie kam sich lächerlich vor. Warum sprach sie mit jemandem, den sie überhaupt nicht kannte? »Aber ich glaube, Sie haben sich da geirrt,
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