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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fielding Joy
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ihre Mutter, die selbst stets zuversichtlich gewesen war, drängte sich immer dazwischen. Unsanft ließ Joanne die Zeitschrift auf den Tisch zurückfallen und suchte nach einer anderen. Ihre Hand fuhr über die Titelseite von Time; sie fühlte das Heft gegen die Innenfläche ihrer Hand drängen wie ein Magnet.
    Wenige Sekunden später griff ihre Hand wie von selbst zu und nahm die Zeitschrift vom Tisch. Sorgfältig die Rubrik ›Verbrechen‹ überblätternd, schlug Joanne die Seite mit den Filmberichten auf, las drei vernichtende Kritiken von Filmen durch, die sie sich nie ansehen würde, ging dann zum Literaturteil über und las einige Buchrezensionen. Sie informierte sich über die Theaterstücke, die in dieser Ausgabe besprochen wurden, überlegte, ob eines davon Robin und Lulu interessieren könnte, und überflog dann die Rubrik ›Leute‹, um das Neueste aus der Welt der Reichen und Prominenten zu erfahren. Dann klappte sie das Magazin entschlossen zu, sah auf die Uhr und fragte sich, was bei Eve so lange dauerte. Hatten sie etwas entdeckt? Sie schlug das Heft wieder auf. Auch ohne hinzusehen, wußte sie, wo sie gelandet war. ›Verbrechen. – Der Vorstadtwürger von Long Island.‹
    Ohne es zu wollen, stöhnte sie laut auf. Eine ältere Frau, die ihr gegenübersaß, sah sie mit unverhülltem Ärger an. Beschämt wandte Joanne den Blick zurück auf die Zeitschrift und zwang sich dazu, die nüchternen Tatsachen, die dort aneinandergereiht waren, ganz ruhig durchzulesen: Alle drei ermordeten Frauen hatten auf Long Island gelebt; sie waren im mittleren Alter gewesen, verheiratet, mit Kindern. Eine hatte außer Haus gearbeitet, die beiden anderen nicht. Es gab kein rationales Motiv für die Morde und keinerlei Verbindung zwischen den Opfern. Alle drei waren sexuell mißbraucht worden, bevor sie gestorben waren.
    Joannes Blick fiel auf den unteren Teil der Seite, und wieder stöhnte sie. Die Frau gegenüber stand auf und setzte sich woanders hin. Fotos. Drei kleine Quadrate, die Fotos der ermordeten Frauen.
    Joanne betrachtete die Bilder ganz genau. Es war nichts Besonderes an diesen Frauen, das erkannte sie sofort. Sie sahen aus, wie Hausfrauen und Mütter aus einem Vorort eben aussehen: nett, attraktiv, aber nicht schön. Zwei waren blond, eine hatte braunes Haar. Normale Frauen, die ein normales Leben geführt hatten. Das einzig Unnormale an ihnen war die Art ihres Todes gewesen.
    Die Polizei gab an alle Frauen, die auf Long Island lebten, die üblichen Warnungen aus: Sie sollten ganz besonders vorsichtig sein, keinem Fremden die Tür öffnen und jeden, der sich in der Nähe eines Hauses herumtrieb, der Polizei melden. Darüber hinaus mußte die frustrierte Sondereinheit zugeben, daß sie wenig tun konnte. Die Verantwortung, wurde betont, liege bei den Frauen selbst; sie sollten alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen treffen. Die Polizei, die nicht die geringste Spur habe, sei verzweifelt bemüht, den Vorstadtwürger zu fangen, bevor er sich sein nächstes Opfer hole.
    Joannes Blick schwenkte zurück auf die Fotos. Sie schämte sich, aber sie tat es doch: Ihr eigenes Bild – welches würden sie wohl aussuchen? – schob sich über die Seite und nahm seinen Platz neben den drei anderen Fotos ein. Würden die Leute auch sie sofort als nett, attraktiv, normal abtun? Und war es nicht interessant, daß nach Meinung der Polizei diese Sache Angelegenheit der Frauen war, nicht der Polizei?
    »Raus hier!« verkündete eine Stimme irgendwo neben ihr.
    »Was ist denn los?« fragte Joanne und versuchte aufzustehen. Ihre nackten Schenkel lösten sich nur langsam und mit einem saugenden Geräusch von dem Vinyl, das Time -Magazin flog von ihren Knien auf den Boden. Sie rannte Eve nach.
    »Dieser Scheißkerl!« murmelte Eve, während sie die Treppen hinunterlief.
    Joanne folgte ihr. Sie erlebte auf einmal ein beinahe überwältigendes Déjà-vu: Hatte sich nicht genau dieselbe Szene ein paar Wochen vorher schon einmal abgespielt?
    »Was war denn nun?« rief sie. Als Antwort kam nur das Klappern von Eves Absätzen. »Himmel noch mal, Eve, du fällst hin und brichst dir das Genick, wenn du nicht langsamer machst! Wart doch mal! Was ist denn passiert?«
    »Wo ist die Karre?« fragte Eve, sobald sie auf der Straße waren.
    »Auf dem Parkplatz, wo wir sie stehengelassen haben. Kannst du mir nicht erst mal sagen, was da drin passiert ist?«
    Eve ging in Richtung Parkplatz, blieb abrupt stehen, wandte sich um und sah der verblüfften,

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