Ein mörderischer Sommer
Katze ihre Beine zu umschleichen beginnt. Wie bin ich überhaupt hierhergekommen?
Sie steht in ihrem Garten. Vor dem tiefen Teil des leeren, unfertigen Swimmingpools. In der Dunkelheit sieht er aus wie ein gigantisches offenes Grab. Mein Grab, denkt sie, für mich, wenn er kommt.
Sie hält irgend etwas in ihrer rechten Hand. Joanne hebt den Arm in die Höhe. Lautlos schneidet der Tennisschläger durch die Luft. Zieh durch, hört sie Steve Henry sagen. »Verdammt!« flucht sie in die Stille hinein. »Verdammt!« Sie läßt den Schläger sinken, fühlt sein Gewicht schwer in ihrer Hand.
Was macht sie hier draußen? Warum steht sie mitten in der Nacht in ihrem Garten, mit nichts bekleidet als ihrem Slip und einem grellrosa T-Shirt, auf dessen Vorderteil ›Picasso‹ steht – ein Überbleibsel aus dem Jahr 1980, von der Ausstellung im Museum of Modern Art –, und umklammert einen Tennisschläger? Warum schläft sie nicht?
Sie schläft nicht, weil sie nicht einschlafen konnte. Nach einem heißen Bad, von dem sie sich Entspannung erhoffte, das ihre Unruhe aber nur noch steigerte, und nachdem sie sich eine Stunde lang ruhelos im Bett hin und her geworfen hatte, war sie hinuntergegangen, hatte den Tisch im Eßzimmer abgeräumt, das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine gestellt und sich dann eine Tasse Kaffee gemacht. Die ganze Zeit über hatte sie die Ereignisse der Nacht im Geiste wieder und wieder durchgespielt wie schlechte Fernsehwiederholungen.
»Du bist eine Idiotin«, flüstert sie. Sie fühlt, wie ihre Zehen den Rand des Pools umklammern, sie zuckt zusammen, als ihr die kleine Ansprache wieder einfällt, die sie vor Steve Henry hielt, bevor er ging. Ich kann die Hoffnung nicht aufgeben, hört sie sich sagen, oder was für eine dumme Phrase sie benutzte. »Welche Hoffnung?« fragt sie halblaut. Die Hoffnung, daß dein Mann zurückkommen wird? Dein Mann kommt nicht zurück! Er ist übers Wochenende weggefahren. Du kannst alles darauf wetten, daß er jetzt nicht vor irgendeinem leeren Swimmingpool steht und an seine Frau denkt, die bald seine Exfrau sein wird! Über was sollte er sich auch Sorgen machen? Er weiß ja, daß sie auf ihn wartet für den Fall, daß er einmal genug hat von allen kleinen Judys dieser Welt und heimkommen will.
Eve hat recht – ich bin wirklich eine Idiotin! Eine Idiotin mittleren Alters, die nicht genug Grips hat, um einem schönen jungen Mann zu erlauben, ihr eine Nacht lang Lust zu bereiten. Idiotin! hört sie Eve meckern. Voll durchziehen! drängt Steve Henry.
Sie hebt den Schläger und schleudert ihn mit voller Wucht in den tiefen Teil des Pools. Er kracht gegen die Betonwand, springt mehrere Male vom Boden hoch und bleibt dann, nach einigen langsamen Drehungen, liegen. Sie kann nicht genau sehen, wo er liegengeblieben ist, und es ist ihr auch egal. Sie braucht keinen Tennisschläger mehr. Da steht sie allein in der Dunkelheit und denkt, daß dieses leere Betonloch das perfekte Symbol für ihr Leben abgibt.
Erst Minuten später registriert sie die Geräusche, ein Knacken von Zweigen, ein leises Rascheln von Gras. Geräusche, die nicht zu den natürlichen Geräuschen der Nacht passen. Irgend etwas ist da. Sie fühlt instinktiv, daß sie nicht allein ist.
Er ist also gekommen, denkt sie. Ihr Herz beginnt zu rasen. Genau auf diese Gelegenheit hat er gewartet, und jetzt hat sie sie ihm kampflos geliefert. Sie sieht schon die Schlagzeile der Morgenzeitung, fragt sich, wo die Polizei ihre Leiche wohl finden wird, versucht sich die letzten Sekunden ihres Lebens auszumalen. Kannst du dir vorstellen, was in diesen letzten Minuten in ihr vorgegangen sein muß? Karen Palmers Frage geht ihr durch den Kopf.
»Mrs. Hunter.« Unheimlich durchschneidet die Stimme das nächtliche Schweigen.
Joanne schreit auf, schließt die Augen, um das von ihr sofort wiedererkannte dumpfe Krächzen abzuwehren. »Was wollen Sie von mir?«
Wo ist er? Joanne öffnet die Augen und blickt angestrengt in die Dunkelheit, versucht herauszufinden, aus welcher Richtung die Stimme kommt. Irgendwo links von sich hört sie ein Geräusch, fühlt, daß jemand auf sie zukommt.
»Mrs. Hunter«, ruft die Stimme ganz nahe bei ihr.
Joanne dreht sich ruckartig um und sieht eine große Gestalt, die sich aus der sie umgebenden Schwärze löst. Ganz allmählich erkennt sie die vertraute Form eines langen, hageren Gesichts, das von welligem Haar umrahmt ist.
»Eve!«
Eves Lachen klingt fast wie ein Kreischen. »Du
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