Ein mörderisches Komplott (German Edition)
öfter
vorgekommen, dass er ohne Angabe von Gründen fernblieb? Keine Bange, Miss! Sie
begehen keine Indiskretion, wenn Sie sich hierzu äußern. Sie brauchen nichts zu
befürchten, wenn Sie ein wenig aus der Schule plaudern. Ihre Aussagen behandle
ich absolut diskret.«
Clara Gilroy, eine vollbusige Enddreißigerin, die schon
seit einigen Jahren für Gordon Bayne tätig war und seitdem vergeblich um seine
Zuneigung buhlte, rückte sich auf dem Besucherstuhl zurecht. Sie schaute
mehrmals zwischen Sir Anthony und O’Brien hin und her, räusperte sich und sagte
schließlich kleinlaut: »Heute haben wir schon Mittwoch. Seit sich DSupt Bayne
am letzten Freitag verabschiedete, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Als er
Montag früh nicht zum Dienst erschien, dachte ich mir noch nichts dabei. Nun
ja, in letzter Zeit ist es hin und wieder vorgekommen, dass er sogar mal einen
ganzen Tag wegblieb und nirgendwo erreichbar war. Aber gleich zwei Tage
hintereinander, das ist schon recht sonderbar.«
Sir Anthony wiegte den Kopf und wandte sich nun Paul
O’Brien zu:
»Das ist für einen Mann in seiner Position bestimmt
nicht ungewöhnlich, zwischendurch auch mal private Dinge zu erledigen, wozu man
wegen der vielen Überstunden keine Zeit findet. Aber nun bereits den dritten
Tag ohne Angabe eines Grundes zu fehlen, das erscheint mir doch recht
bedenklich. Männer wie er sind immer gewissen Gefahren ausgesetzt. Bitte
veranlassen Sie sofort eine Vermisstenmeldung an sämtliche Polizeidienststellen
im Land. Informieren Sie auch die Presse. Wir müssen Bayne unbedingt suchen
lassen. Vielleicht hat er einen Schwächeanfall erlitten und braucht dringend
Hilfe.« Sir Anthony lehnte sich in seinen lederbezogenen Sessel zurück und
blickte zum Fenster hinaus. »Wenn es nicht schon zu spät ist!« Erneut sah er
Paul O’Brien an. »Ich gehe davon aus, dass Sie sich mit dem gleichen Schwung an
die Arbeit machen wie im Mordfall Thompson. Ich habe übrigens nie verstanden,
warum man damals nicht Ihnen die Ehrenmedaille verliehen hatte.«
Paul O’Brien begleitete Clara Gilroy noch bis vor ihr Büro
und machte sich dann an die Arbeit. Er beauftragte DS Hastings, eine
landesweite Vermisstenmeldung zu veranlassen. Um die Presse wolle er sich
persönlich kümmern.
Inzwischen hat auch Jenny Symon ihren Urlaub abgebrochen
und die Arbeit in der Redaktion wieder aufgenommen. Paul O’Brien informierte
sie sofort über den Vorfall und bat sie um Veröffentlichung einer Suchmeldung
in der nächsten Ausgabe des Inverness Report.
Am Mittag des gleichen Tages versetzte die Eilmeldung
eines Polizeireviers das CID in größte Aufregung. Forstarbeiter hatten gegen
12:30 Uhr in einem abgelegenen Waldgebiet südwestlich von Inverness die Leiche
eines Mannes entdeckt. Er war durch einen Schuss mitten in die Stirn getötet
worden, also auf dieselbe bestialische Weise wie alle bisherigen Opfer des
sogenannten Kopfschussmörders. Diese Nachricht wurde inzwischen über alle
regionalen Rundfunksender ausgestrahlt und verbreitete sich wie ein Lauffeuer
über ganz Schottland. Es bestanden kaum Zweifel daran, dass der grausame Täter
wieder einmal zugeschlagen hatte.
DCI Paul O’Brien und DS Edward Hastings begaben sich sofort
zum Leichenfundort, wo die Spurensicherung bereits zugange war. Als O’Brien die
weiße Plastikfolie vom Kopf des Toten anhob, erschrak er gewaltig, während sich
Hasting mit Ekel abwandte. Mit allem hatte O’Brien gerechnet, aber dass
ausgerechnet Gordon Bayne das neueste Opfer dieses Unholds wurde, war einfach
nicht zu fassen. Jedenfalls verriet das tiefe Loch in seiner Stirn, dass hier –
wie in den anderen Fällen – die gleiche Waffe zum Einsatz kam. Als er die
Einschussstelle näher betrachtete, erinnerte er sich wieder an
Kindheitserlebnisse im elterlichen Metzgereibetrieb. Wie oft hatte ihn sein
Vater gezwungen, bei der Tötung des Schlachtviehs zuzusehen. » Schau dir nur
genau das Loch im Stirnbein an. Ist es nicht gut gelungen? Keine Verbrennungen
des Fells ringsherum, keine Projektil im Hirn, ein schmerzloser, rascher Tod. «
Wie hatte er daraufhin seinen Vater verachtet. Wegen des scharfen Knalls, den
der Schussapparat verursachte, pflegte sein Vater seinem Sohn zuliebe einen
feuchten Lappen darumzuwickeln. Das bot zugleich den Vorteil, noch spätabends
schlachten zu können, ohne die Nachbarn zu stören.
Paul O’Brien hob vorsichtig den Kopf seines ungeliebten
Chefs an. Die Rückseite
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