Ein Moment fürs Leben. Roman
Lucy, lass dir was einfallen.«
Auf einmal hatte ich eine Idee. Edith schien es an meinem Gesicht zu erkennen.
»Lucy«, sagte sie warnend.
»Keine Sorge.« Ich nahm ihre Hände, drückte sie fest und sah ihr in die Augen. »Du weißt von nichts, niemand hat dir was gesagt, du bist nicht verantwortlich, es hat nichts mit dir zu tun, es ist alles meine Entscheidung.«
»Wie oft habe ich das in meinem Leben schon gehört!«
»Und war es nicht immer okay?«
Ediths Augen wurden groß. »Lucy Silchester, ich fürchte, so schlimm wie heute war es noch nie.«
»Ich verspreche dir, niemand wird etwas merken«, sagte ich in dem Versuch, sie zu beruhigen.
Sie jammerte leise und schlurfte davon, um meinen Vater zu holen.
Ich ging hinaus und zog die Haustür hinter mir ins Schloss. Don stieg gerade aus dem Auto und sah mich überrascht an.
»Hi, willkommen auf meinem Landsitz«, sagte ich.
Er lächelte, wenn auch nicht ganz so strahlend wie sonst. Dann kam er die Treppe herauf, und ich spürte plötzlich den überwältigenden Impuls, ihn zu küssen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber aus dem Innern des Hauses hörte ich, wie die Tür zum Arbeitszimmer meines Vaters aufging und er mit raschen Schritten den Korridor überquerte.
»Lucy ist gerade draußen und begrüßt ihn, Sir«, erklang dann Ediths Stimme, etwas atemlos, weil sie ihm nachlaufen musste.
»Gut. Dann bringen wir den ganzen Unsinn jetzt hinter uns, ja?«, sagte er.
Auch Don hatte den Wortwechsel gehört.
»Tut mir leid wegen heute Morgen«, sagte ich und meinte es ganz ehrlich.
Er musterte mich prüfend.
»Ich hab dir ja gesagt, dass ich verkorkst bin. Nicht dass das irgendetwas besser macht, aber so ist es einfach. Ich weiß nicht, was ich will. Ich dachte, ich wüsste es. Aber mein Leben hat mir gezeigt, dass das nicht stimmt. Ich hab keine Ahnung, was ich machen soll, aber ich versuche es rauszufinden.«
Er nickte, musterte mich aber unablässig weiter. »Bist du noch in deinen Ex verliebt?«
»Ich glaube schon. Aber hundertprozentig weiß ich es nicht.«
Einen Moment schwieg er. »Dein Leben hat mir gesagt, dass er eine neue Freundin haben könnte.«
»Mein Leben hat eine Freundin?«
»Nein,
Blake
. Das hat dein Leben mir gesagt, als du unter der Dusche warst.«
»Ja, das könnte wahrscheinlich sein.«
Er sah sich auf dem Grundstück um und dann wieder zu mir. »Ich liebe dich nicht, Lucy.« Er hielt inne. »Aber ich weiß, dass ich dich gernhabe. Sehr gern sogar.«
Ich legte die Hand aufs Herz. »Das ist das Netteste, was jemals jemand zu mir gesagt hat.«
»Aber ich möchte ungern als Versuchskaninchen benutzt werden.«
»Du wirst nicht benutzt.«
»Und ich möchte auch keine zweite Wahl sein.«
»Das würdest du niemals sein. Ich habe nur das Gefühl, dass ich erst mal ein paar Probleme in meinem Leben lösen muss.«
Damit schien er zufrieden zu sein. Mir fiel auch sonst nichts zu sagen ein.
Er schaute zum Haus. »Bist du nervös?«
»Ja, total. Ich war seit drei Jahren nicht mehr in einer Beziehung, und ich mache jeden Fehler, den man sich vorstellen kann.«
Er lächelte. »Nein, ich meine, weil dein Leben sie kennenlernen wird?«
»Ach so. Nein. Das macht mich nicht nervös. Davon wird mir nur schlecht.«
»Es wird schon gutgehen, überlass ihm einfach das Reden.«
»Er ist nicht da, und ich glaube auch nicht, dass er noch kommt. Ich hab heute meinen Job verloren, und mein Leben spricht nicht mehr mit mir.«
Seine Augen wurden groß. »Kann ich irgendwie helfen?«
Als ich den Kopf wieder zur Tür hineinstreckte, saßen alle um den Tisch, mein Vater allerdings nicht wie sonst am Kopf der Tafel. Offenbar sollte dieser Ehrenplatz meinem Leben vorbehalten bleiben.
»Entschuldigt die Verspätung. Vater, ich weiß, dass du gleich ein wichtiges Telefonat führen musst, wir werden dich auch bestimmt nicht davon abhalten, aber ich möchte euch gern jemanden vorstellen …« Ich machte die Tür ein Stück weiter auf und zog Don herein.
»Das ist meine Familie. Liebe Familie« – ich sah Don an –, »das ist mein Leben.«
Er lächelte, seine Grübchen erschienen, und er begann zu lachen. Auf einmal bezweifelte ich stark, dass er der Rolle gerecht werden würde, die ich ihm zugedacht hatte.
»Entschuldigung.« Er hörte auf zu lachen. »Es ist mir eine große Ehre, Sie alle kennenzulernen.«
Er streckte Jemima die Hand hin. »Hallo, du.«
»Ich bin Jemima«, sagte sie schüchtern und nahm seine
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