Ein Mord am Ende der Welt. Kriminalroman. (German Edition)
Schmerzen.
„Eine äußerst seltsame Person“, dachte ich mir und wendete meinen Blick von Esther ab, um mich der Unterhaltung meiner Eltern mit dem Baron und der Baroness zu widmen.
„Wissen Sie“, sagte der Baron gerade zu meinem Vater, „wenn Sie mal Zeit haben und nicht wissen, was Sie an diesem verlassenen Ort machen können, sagen Sie mir nur Bescheid – ich kenne neuerdings ein paar Fischer, die im nächsten Ort wohnen. Die können uns mal zu einer Ausfahrt in aller Frühe mitnehmen.“
„Danke“, sagte mein Vater, „aber ich bin kein Freund des Wassers. Mir wird meistens genau dann schlecht, wenn die erste Welle das Boot schwanken lässt, und endet erst, wenn ich eine zeitlang wieder festen Boden unter den Füßen habe.“
„War nur ein Angebot“, gab der Baron etwas pikiert zurück, „aber es gibt auch noch anderes zu entdecken. Nicht sehr weit von hier gibt es eine Grotte – die soll so lang sein, dass man kaum an ihr Ende kommt. Manche sagen sogar, dass diese Grotte der Eingang zur Hölle ist, doch wir wissen ja alle, was wir von solchen Ammenmärchen zu halten haben, nicht wahr!?“
„Ja, das ist wahr!“ pflichtete mein Vater bei und war beinahe glücklich, als Teresa ankündigte, dass man jetzt bei uns den zweiten Gang servieren würde, während bei den Boughounds der erste Gang anstand.
Wir begaben uns alle zurück zu unseren Tischen und ließen die Gänge auftragen. Immer mal wieder ließ ich meinen Blick am Kopf meines Vaters vorbei gleiten und suchte vor allem das Gesicht der gleichaltrigen Esther, weil ich nach all den Vorfällen des Tages für Merkwürdigkeiten sensibilisiert war. Irgendwie spürte ich, dass mit ihr nicht alles in Ordnung schien. Diese Krankheit, die sie in sich gekehrt wirken ließ, hatte sie nicht ihr gesamtes Leben lang gehabt, das glaubte ich zu spüren. Aber warum ich das spürte? Das weiß ich beim besten Willen nicht mehr!
Es ist seit jeher Sitte in unserer Familie, am Essenstisch nichts zu sagen, sodass mir immer wieder die Gelegenheit gegeben war, die anderen Menschen im Saal zu beobachten, was sie so machten und wie sie sich verhielten. Es waren jedoch nur wenige der Tische belegt, die im Raum herumstanden, und da wir bisher auch nur sieben weitere Hotelgäste kennen gelernt hatten, konnte ich auch nicht sagen, wie voll dieser Raum noch werden würde.
Als nächstes trafen Patrick und Elle Johnson ein, nickten zu uns herüber, weil sie sahen, dass wir inmitten eines Menügangs waren und setzten sich an einem Tisch in der Ecke, der für ein Paar zu zweit vorgesehen war. Dann nur wenige Momente später traten auch die uns bereits bekannten Pennymakers durch die Eingangstüre zum Speisesaal, grüßten ebenfalls wortlos und setzten sich direkt an den Tisch neben uns.
Während Teresa bei allen Tischen die Bestellungen und Wünsche aufnahm, blickte ich im Saal umher und fragte mich, da mir alle anwesenden Menschen bekannt waren, ob das auch alle Gäste des Hotels seien. Vorerst schien es so, da fürs Erste niemand Neues mehr dazu stieß. Irgendwann mal hatte ich in einer Unterhaltung zwischen meinem Vater und dem Hotelbesitzer aufgeschnappt, dass das Abendessen, was in der Reservierung mit inbegriffen war, selten jemand verpassen würde, der nicht gerade weit vom Hotel entfernt war. Jetzt erinnere ich mich!
„Was der Gast gebucht hatte, das würde er auch in Anspruch nehmen!“ war der Satz, den ich dazu gehört hatte.
Auf jeden Fall war der Saal nicht sehr voll und hätte sicherlich die dreifache Menge an Gästen vertragen, als plötzlich seltsam anmutende Geräusche aus der Eingangshalle in den Speisesaal drangen. Mit einem Mal schwang die Türe auf und zwei Männer, die beide eine stattliche Uniform trugen, traten ein. Dass die beiden bereits vor dem Abendessen angeheitert, wenn nicht angetrunken waren, war kaum zu übersehen, denn sie gingen keinen geraden Weg zu einem der Tische, an dem sie sich auf die Stühle fallen ließen.
„Bedienung!“ grölte der eine von beiden, scheinbar der Ältere und ich sah, wie mein Vater bereits das Gesicht verzog.
„Teresa! Marsch! Marsch!“ rief der Mann in Uniform erneut, und mein Vater wollte sich gerade zu dem Störenfried umdrehen, als Teresa aus der Küche erschien und sich aufmachte, die Bestellung der beiden Männer aufzunehmen. Mein Vater drehte sich zurück und suchte den Blick zu meiner Mutter, die gelassen, beinahe stoisch wirkte, als würde sie ein solcher Aufruhr nicht aus der Ruhe
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