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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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unser Mann sich verändert hatte! Vor drei Jahren noch wäre ihm ein solcher »Durst« unbegreiflich gewesen. Aber freilich, die Familienverhältnisse, der Einfluß aus dem Familienkreise – wie sehr neigt gerade der junge Mensch dazu, derartiges zu unterschätzen! Conrad wohl nicht mehr, denn er hatte eben in der letzten Zeit bei näherer Untersuchung seines seelischen Fundus Gelegenheit genommen festzustellen, woher dies und das etwa kam.
    An einem der ersten Häuser des Ortes, unweit jener Stelle, wo Castiletz heute morgen von der Straße abgebogen war, kündete eine Tafel den Ausschank. Noch immer irgendwie innerlich überladen und verstockt, trat er sogleich ein, und zwar nicht eigentlich in eine richtige Wirtsstube, sondern eher in eine Wohnung, deren eines Zimmer eben solchem Erwerbe diente, welches Recht vielleicht mit dem Hause verknüpft war. Kaum eingetreten, empfand Conrad, daß hier irgendwas durcheinandergeraten schien, zwei verschiedene Arten zu leben, wohl möglich zu sprechen, zu denken, zu sein. Übrigens drückten das allein schon die Möbel aus, mit einer ans Traumhafte grenzenden Durchdringung zwischen Küche und – Musikzimmer. Es gab mehrere Schemel, einen kleinen Waschtrog, eine riesige Anrichte von ganz naiver Scheußlichkeit (war sie nicht im Geiste irgendwie mit den Bildern der Tante Berta verwandt?), und in der Ecke stand, eben als Vervollständigung, ein großer schwarzer Konzertflügel. Die Dame, welche Conrad den Wein brachte – bald zum zweitenmal, denn den ersten kippte er hinunter wie jenes »ohnehin vernünftigste Getränk« – war, wie ihre Möbel, eine verwirrende und neuartige Mischung aus Küchengeruch, grauhaariger Würde, musischem Anhauch – nebst ein paar recht handfesten Worten, die sie vom Fenster des Nebenzimmers in den Garten rief. Am Finger trug sie einen sehr schönen Chalzedon im Goldreif. »Ja, Sie staunen wohl«, sagte sie beim Darreichen des zweiten Viertels, »über dieses Instrument? Meine Tochter ist in Bamberg mit einem Ingenieur verheiratet, müssen Sie wissen, aus sehr guter Familie; sie spielt herrlich Klavier. Zum Beispiel die Mondscheinsonate, und überhaupt diese klassischen Sachen, für die eins eben auch das richtige Verständnis braucht. Da habe ich den Flügel angeschafft, damit sie ihre Kunst nicht entbehren muß, wenn sie bei ihren Eltern ist. Wir sind auch sehr musikalisch.« Bei Conrad kam sie mit der klassischen Musik schon durchaus an den Richtigen. Aber, man wird bemerkt haben, daß ihm überhaupt eine feinere Nase gewachsen war, sozusagen, sonst hätte er auch nicht in Venedig festgestellt, daß seine Frau neuestens die Grundsätze der sportlichen Disziplin auf den Kunstgenuß übertrage ... Mit dem Geist ist es wie mit dem Weintrinken: eine neue, aber nicht ganz ungefährliche Quelle des Lebens. Der Mann sah bei der Tür herein. Er war fett und groß wie ein ungarischer Ochse, jedoch auffallend gut und glatt rasiert, es glänzte nur so; im übrigen schien er stumm und gehorchte sogleich, aus der Tür verschwindend, einem offenbar recht gläsernen Blicke seiner Frau. »Der Herr ist in Geschäften hier oder zur Erholung?« »In Beschäftigungen«, sagte Conrad, und wie einst bei Herrn von Hohenlocher stellte er schlichte fest, daß er nun einen Rausch habe. Bei alledem war ihm eigentlich angst und bang, und zwar in einer seltsam hellsichtigen Weise; durch Augenblicke kam es ihm ernstlich bei, die Sachen hier als irgendeine verspätet zum Ausbruch gekommene Unordnung aus seinem eigenen früheren Leben zu sehen . . . aber wie?
    Im nächsten Atemzuge schon verstand er diesen Gedanken nicht mehr. Wohl aber einen anderen (den er als sozusagen allzu einfach verwarf, hier konnte ja nicht ein Fund den zweiten jagen, nein dies wäre gewissermaßen zu »hell« – »ich bin betrunken!«) – und dieser andere Gedanke stellte eine billige Verbindung her zwischen glücklichen Findern verstreuter Kostbarkeiten und einer Tochter, für deren Ferientage man sich einen Konzertflügel leistete. Ja, Töchter spielen eben mitunter die Mondscheinsonate...
    Castiletz bezahlte und verließ diesen ganzen Spuk. Als er in den Gasthof kam, war es längst Mittag. Er aß mehr als ausgiebig in der behaglichen Stube – dieser Raum schien in zauberhafter Weise den Appetit zu steigern! – ging auf sein Zimmer, warf Schuhe und Rock ab und schlief sofort ein, da er auch zum Essen jetzt wieder zwei Viertel des herrlichen ›Lauffener‹ genossen hatte.
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    Das Muster

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