Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
kannte (anläßlich seines Besuches bei der Rosanka): auch hier schien jetzt alles ohne Mühe in die Geleise zu fallen, schnappten die Scharniere von selbst ein.
    »Also«, sagte Günther, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, »ich treffe ihn morgen, in der Weinstube. Um ein Viertel vor acht Uhr. Wir aber werden uns noch etwas früher treffen. Damit ich dir, erstens, jenes Lokal zeigen kann, so daß du es nicht verfehlst; zweitens werde ich dir Gelegenheit geben, Haus und Stockwerk zu sehen, wo Peitz wohnt – bei einer Kriminalgeschichte kann es bekanntlich auch von Wichtigkeit sein, ob jemand zum Beispiel in seiner Wohnung Licht hat oder nicht, daher du Bescheid wissen mußt. Endlich sollst du auch den Laden sehen. Wenn man sich schon mit solch einer Sache beschäftigt, muß man’s gründlich tun. Beschäftigung ist Beschäftigung. Übrigens spielt der Roman in einer Gegend, die ich von meiner Schulzeit her kenne. Dort ist nämlich das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. Wir aber treffen uns, wohlgemerkt, um halb acht Uhr, morgen, Montagabend, vor dem ehemaligen Palais Albrecht.«
    Er beschrieb genau dessen Lage. Conrad war glücklich, daß hier nicht flüchtig vorgegangen wurde (er hatte es, der ganzen Tonart nach, immer mehr und mehr insgeheim befürchtet). Dann erklärte Günther die kürzeste Verbindung mit der Untergrundbahn von Conrads Hotel aus. »Kannst dir auch eine Taxe nehmen, wenn du’s anders nicht willst«, fügte er hinzu. »Vor der doppelten Säulenreihe, welche die Auffahrt des Palais Albrecht gegen die Straße abschließt, steht, nicht ganz in der Mitte, eine städtische Sandkiste. Sie sei unser Treffpunkt.
    44
    Am späten Nachmittage kam Conrad wieder in sein blaues Hotelzimmer. Die Heizung war eingeschaltet, die Vorhänge waren geschlossen. Hinter ihnen flogen dann und wann, vom Winde getrieben, strichweise Regentropfen an die Scheiben, mit einem Geräusch wie laufende leichte Krallen von Vögeln. Castiletz befahl das Abendessen hierher und machte sich an die Vorbereitungen für den morgigen Tag. Da war zunächst Eisenmanns bemerkenswerte Liste, etwa so:
    Groß und stark, schwarzer Stierkopf: Direktor Klinkart (folgte Name der Firma). Aufpassen, was er sagt. Spricht stets im Verfolg von Zwecken, nie eitel. Undurchsichtig. Nachher schriftlich festhalten.
    Blasser Regenwurm, Kneifer: Stolzenbach (Name der Firma). Will gefragt werden. Verwunschener Professor. Doziert. Kann einmal Wertvolles dabei sein. Das meiste Quatsch.
    Schweinskopf, Hängebauch, schwarze breite Ringe unter den Augen: Grumbach (Name der Firma). Weiber. Auf den Punkt aufpassen. In Lokalen ihm bei besseren Nutten nie ins Gehege kommen. Hält was auf solche Erfolge, die er bezahlen muß. Sonst klug.
    Sanfter Buchhändlertypus, Brillen, dünner roter Spitzbart: Wirchle (Name der Firma). Was er schwätzt, kannst du streichen. Trottel. Frage ihn wegen Münzen (wie ich’s dir erklärte, falls du dich darauf besinnst, Bürschle). Dann reden lassen.
    Rundschädel, kurzgeschoren, breites Genick, stämmig, immer Zigarre: Wedderkopp (Name der Firma). Schnauze wie ein Revolver. Gerissener Gauner. Achtung beim Sekt, ihm mit dem Nachrücken nicht zuvorkommen. Mag er nicht. Ruhig zahlen lassen.
    Was das »Nachrücken« betrifft, war Conrad von Eisenmann überhaupt gründlich belehrt worden. Es galt hier für den jungen Mann, eine feine Mitte zu halten, einen rechten »goldenen Schnitt« zwischen stiller Einfalt und Bescheidenheit der eigenen Person und der Größe des Unternehmens, das er – wenn auch nur als Beobachter (Schwiegersohn) – gewissermaßen vertreten sollte.
    Castiletz saß am Schreibtisch, unter dessen Glasplatte sich blaues Tuch befand, und repetierte diese Lehren. Sein Zimmer lag im dritten Stockwerk – man benutzte dahin einen schweren, langsam steigenden Aufzug, darin mindestens sechs Personen bequem hätten Platz gehabt – gleichwohl hatte Conrad die Empfindung, das Grundgefühl sozusagen, sich irgendwo tief unten zu befinden, in Stille, in einer Art Verpolsterung, die völlig von dieser Stadt und den Straßen dort draußen trennte und abschloß.
    Und überhaupt von allem. Sein Besuch bei Ligharts hatte ihn, wie sich hintennach zeigte, stark ermüdet, zugleich aber auch ein deutliches Ziel in ihm gesteckt: er mußte es dahin bringen, gewissermaßen eine leichtere Hand zu bekommen in dieser Sache mit Henry Peitz, glücklichen Zufällen das Ihre zu überlassen, sich wirklich wie zu seinem Vergnügen damit zu beschäftigen. Er

Weitere Kostenlose Bücher