Ein Mord den jeder begeht
Verkehrsmittel warten, also auf die Straßenbahn, Untergrundbahn oder auf einen Bus. Von dort soll das kommen (er deutete gegen die Türe), und nun sieht unser Elektrogerätehändler – Mörder, Räuber, abasso il Peitz! – dem entgegen . . .«
Ligharts stand so da, als wäre er gewissermaßen schief in den Boden eingeschlagen, steif zurückgelehnt, durchaus entrüstet (vielleicht ließ der Bus zu lange auf sich warten?), und doch wieder von dem etwa herankommenden Gefährt sogleich Distanz nehmend. Die Augenlider waren an den äußeren Winkeln leicht herabgezogen: »Will man mich etwa gar überfahren?« sagte er.
Nun verließ Günther die Pose. »Er steht«, rief er, »wie angewachsen an der Haltestelle. Geht nie einen Schritt hin und her. Unter seiner Würde. Also, kurz, ich werde euch bekannt machen.«
»Ich glaube nicht, daß dies meinen Zwecken eigentlich entsprechen würde«, sagte Castiletz langsam und genau, so daß zu spüren war, er rede nach längst durchgeführten Überlegungen (Bibliothekszimmer? Ohnehin vernünftigstes Getränk? Blaues Heft!!). »Ich will ihn wohl kennen, aber er soll mich nicht kennen.«
»Richtig! Ausgezeichnet!« schrie Ligharts.
»Ich will ihn beobachten«, entgegnete Castiletz ruhig.
»Das heißt, zünftig ausgedrückt, beschatten«, bemerkte Günther.
»Du mußt ihn mir zeigen«, sagte Conrad.
»Wird gemacht, wird gemacht!« schrie Ligharts und lief im Zimmer herum. Draußen hörte man von irgendwo ein kleines Geräusch.
»Quiiiiek . . .«
»Quiiiiek . . .«
Da war sie wieder. Ligharts zog seine Frau an den Händen ins Zimmer. »Der Peitz wird vernichtet«, rief er dabei, »entsetzlich zugerichtet, entlarvt, verprügelt. . .«
»Soll man unbedingt«, sagte sie, und ihre großen Augen traten ein wenig vor.
In Conrad gewann während dieser Sekunden ein gewisser männlich-kaufmännischer Ernst die Oberhand. »Was hat er euch eigentlich getan?« fragte er.
»Getan?« antwortete Quiek. »Wieso getan? Gar nichts getan. Niemals. Wir haben ja keinen Umgang mit ihm. Aber wir mögen ihn nicht.« In ihren Augen stand etwas wie die Unschuld tiefen, klaren, glitzernden Wassers.
»Das genügt«, erklärte Günther. »Jetzt rufen wir ihn an. Diesem Rauben und Morden auf der Eisenbahn muß ein Ende gemacht werden. Du mußt wissen, Quiek, was jetzt für Sachen über Peitz allmählich sich herausstellen . . .« (nun gab er Conrads Erzählung kurz wieder – Quiek schien es indessen gar keinen Eindruck zu machen, daß Louison Veik sozusagen eine Verwandte des Castiletz gewesen war; ihre Augen traten während Günthers Erzählung wieder ein wenig hervor, gierig und belustigt zugleich, sie sah jetzt wirklich aus wie ein schönes Insekt).
»Also merkt auf«, sagte Günther. »Mein Plan ist folgender: ich werde mich mit Peitz verabreden. Und zwar in seinem Stammlokal, das ist eine Tiroler Weinstube in der Kochstraße. Dort kommt er nach Geschäftsschluß meistens hin. Ohnehin brauche ich etwas von ihm, denn ich will ein Empfangsgerät, welches er mir vor zwei Jahren geliefert hat, schon lang gegen ein besseres, neueres tauschen. Dabei muß ich erheblich nachzahlen. Das wird dem Peitz – abasso! – ganz recht sein. Unter dem Vorwande, daß ich dies, oder etwas von der Art, mit ihm zu besprechen und während seiner Geschäftsstunden keine Zeit habe, werde ich mich mit Peitz in seiner Kneipe treffen. Du kommst dorthin, Kokosch, und siehst ihn dir unauffällig an. Beschattung kann sogleich auf dem Fuße folgen. Und jetzt wird Peitz angeklingelt! Bei diesem schlechten Wetter steckt er vielleicht am Sonntagnachmittag zu Hause!«
Günther ließ sich auf die Ottomane fallen und langte nach dem Telephon, welches nahebei stand.
»Abasso – !« rief er in die Muschel, »nein: Blücher A 9 . . .« und die Nummer.
Bald hörte man eine Stimme, welche durch den Draht allein so erwürgt nicht sein konnte: ihr mußte von Natur aus ein gequetschter Ton eignen. Günther lehnte sich sofort schief nach rückwärts zurück auf den Diwan, beleidigt und leicht ablehnend. Und in der Tat: seine Gestik paßte aufs genaueste zu dem Tone, welcher aus der Muschel quäkte – etwas kurz, etwas abgerissen. Indessen dauerte das ganze Gespräch nicht lange, und es schien alles in der gewünschten Weise zu klappen. Castiletz, der neben Quiek stand – sie hörte, die Nase in reizende kleine Fältchen gezogen, begierig zu – wurde geradezu ereilt oder eingeholt von jener Verfassung, die er schon von Stuttgart her
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