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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Popularität legen, sondern nur auf die Erfüllung ihrer schwierigen Aufgabe. Ich lief mit einem alten Kriminalinspektor durch das Bahnhofsgebäude voraus, um zu sehen, ob die angeordneten Maßnahmen durchgeführt seien; wir hatten dabei in wenigen Augenblicken einen Plan entworfen, für den es notwendig war, daß sich kein Eisenbahnbeamter in den abgehängten Waggons befinde. Das veranlaßten wir nun rasch. Einige Minuten, bevor die übrigen Herren anlangten – ich meine die Kommission mit Oberkommissär, Arzt, Photograph und so weiter – bestiegen wir den Wagen zweiter Klasse und standen vor der verschlossenen Türe des in Frage kommenden Abteils auf dem Gange, wo sich die festgehaltenen Reisenden teils unmutig, teils neugierig versammelt hatten. Und nun machte ich meinen Versuch, der im wesentlichen auf ein bei mir sofort erwachtes Mißtrauen gegen jenes so eindeutig offenstehende Fenster zurückging – diese Einzelheit war dem Schaffner, welcher die Tote entdeckt hatte, scheinbar besonders aufgefallen und mit der ersten Meldung zwischendurch auch an uns weitergegeben worden. Ich hatte das am Telephon selbst mit abgehört, da ich im Nachtdienste stand; dieses offene Fenster gefiel mir nicht, ich möchte fast sagen, ich empfand dagegen etwas wie Opposition. Die Aussage, welche dieser Umstand machte, war allzu deutlich, sie drängte sich sozusagen vor, sie wollte gehört sein... Ich gedachte daher, es einmal mit der Türe zu versuchen; denn auf das Fenster konnte ich immer noch zurückkommen, wenn mir ein Baustein fehlte. Nun, wir hatten die Entfernung aller Schaffner veranlaßt, aus dem einfachen Grunde, weil jeder von ihnen einen Coupeschlüssel bei sich trägt; bekanntlich kann man ein Abteil von innen verriegeln, von außen jedoch gleichwohl öffnen und auch wieder verschließen, wenn man einen derartigen Schlüssel gebraucht. Reisende tragen ihn mitunter bei sich, obwohl die Benutzung eigentlich für einen Fahrgast unzulässig und dem Bahnpersonal Vorbehalten ist. Wir standen also auf dem Gange vor der verschlossenen Tür: und somit hatte ich die gewünschte und künstlich herbeigeführte Gelegenheit, mich an die in den übrigen Abteilen und teils auf dem Gange versammelten festgehaltenen Fahrgäste der beiden letzten Waggons mit der höflichen Frage zu wenden, ob jemand vielleicht einen Coupeschlüssel bei sich habe, da ich einen solchen augenblicklich benötige. Alle verneinten und bedauerten. Daraufhin ordnete ich die Durchsuchung an. Nun, es waren etwa vierunddreißig Fahrgäste, darunter mehrere Damen, man mußte weibliche Hilfskräfte kommen lassen – kurz, die Aufregung war nicht gering und die Prozedur, zu welcher ein Abteil im Nachbarwagen benutzt wurde, dauerte lange genug; inzwischen war längst die Kommission vollzählig eingetroffen und in dem nunmehr mit meinem eigenen Coupeschlüssel geöffneten Mordabteile tätig. Auch ich befand mich noch dort, als mir gemeldet wurde, daß bei einem der Fahrgäste ein Coupeschlüssel gefunden worden sei. Ich sah mir den Mann an, erinnerte mich sogleich, daß er, als ich meine Frage gestellt, unweit von mir auf dem Gange befindlich gewesen war und sogleich bedauernd und verneinend geantwortet hatte. Der Schlüssel war am Ring mit seinen übrigen Schlüsseln vereinigt. Ich ließ diesen Herrn – Henry Peitz hieß er und zeigte sich äußerst aufgebracht – sogleich verhaften.«
    »Diese Einzelheiten standen nicht in den Blättern«, sagte Herr von Hohenlocher.
    »Nein«, erwiderte Inkrat. »Es besteht kein Grund, den Zeitungen Methodisches mitzuteilen. Wäre Peitz vor Gericht gekommen, dann allerdings hätte man diese wichtigen Umstände im Prozesse eingehend erörtert.«
    »Hat man keine Fingerabdrücke in dem Abteil der Ermordeten feststellen können?« fragte Castiletz sehr angeregt.
    »Die feststellbaren stammten von ihr selbst«, sagte Inkrat. »Im übrigen halten Sie das für zu wichtig. Die Verbrecherwelt ist dem Fortschritte, welchen die Daktyloskopie einst für die Kriminalistik darstellte, längst nachgekommen, zumindest die große Verbrecherwelt; in dieser trägt man bei solchen Anlässen Handschuhe.«
    »Was geschah nun weiter mit Peitz?« fragte der Baurat, dessen Augen wieder sehr lebhaft und in irgendeiner Weise hell und durchscheinend geworden waren.
    »Er wurde natürlich festgesetzt. Die anderen entließ man, nachdem ihre Namen und Aufenthaltsorte vermerkt, ihre Gepäckstücke durchsucht und die Ausweise nochmals geprüft worden waren. Die

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