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Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)

Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)

Titel: Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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vor, meine lieben Freunde, wenn Sie können. ›Meine Tochter, meine geliebte Tochter!‹, weinte der arme alte Mann und kniete an ihrer Seite nieder. ›Sprich mit mir!‹ Doch seine Tochter lag leblos darnieder und konnte nicht mehr sprechen, während der betrunkene Fahrer des Karrens hilflos danebenstand, von Entsetzen geschüttelt angesichts seiner Tat. Doch es war zu spät!«
    Mehrere der anwesenden Ladys hatten inzwischen angefangen, schicklich in ihre spitzenbesetzten Taschentüchlein zu weinen.
    Meine Reaktion war, wie ich gestehen muss, eine ganz andere. Selbstverständlich war es eine schreckliche Geschichte und ich weiß, dass derartige Tragödien geschehen. Mein Vater war Arzt gewesen und wurde gelegentlich aus der Praxis zu gerufen, um bei Unfällen auf den Straßen oder in den Fabriken und Gruben Hilfe zu leisten. Trunkenheit war häufig die Ursache dieser Unfälle gewesen. Ich habe mit eigenen Augen todunglückliche Frauen und halbnackte Kinder gesehen, die vor den Türen von Kneipen und Bars gewartet haben in dem beinahe sicheren Wissen, dass es wahrscheinlich Schläge regnen würde, sobald sich der »Ernährer« der Familie zeigte. Doch ich gestehe schamvoll, dass ich ganz plötzlich, als Mr. Fawcetts klingende Rede endete und er sich eine Hand auf die schwitzende Stirn legte, um seine in Unordnung geratenen Locken zurechtzurücken, einen heftigen Drang zu kichern verspürte und hastig den Blick in den Schoß lenkte. Mein Vater hätte diese Reaktion wahrscheinlich als emotionale Antwort auf einen Sprecher erklärt, der nicht zögerte, die Empfindungen seiner Zuhörer zu manipulieren. Doch ich schämte mich, und es gelang mir, das Grinsen zu unterdrücken. Als ich den Blick wieder hob, starrte Mr. Fawcett geradewegs zu mir, und ich war sicher, dass er es bemerkt hatte. Zu meiner Demütigung spürte ich, wie mir die Röte ins Gesicht stieg.
    »Diejenigen, denen das Leben besser mitgespielt hat …«, begann Fawcett seidig (ich schwöre, dass er mich immer noch ansah), »… diejenigen sollten nicht glauben, dass sie nicht in Gefahr schweben. Welcher Gentleman sieht schon etwas Schlimmes an einem Glas Portwein oder auch zweien nach einem guten Dinner? Und welche ganz und gar respektable Lady schlägt ein Glas Sherry aus?«
    Er schüttelte sorgenvoll den Kopf, und die langen Haare fielen ihm ins Gesicht. Er schob die widerspenstigen Strähnen zurück. »Und bevor wir’s uns versehen, trinkt besagter Gentleman Abend für Abend eine ganze Karaffe Port und versinkt jede Nacht in einen Vollrausch. Und was seine Frau angeht, schon bald verliert sie ihre tugendhafte Weiblichkeit. Ihre Wangen sind gezeichnet von geplatzten Äderchen, ihre Kleidung ist nachlässig und das Haar irgendwie hochgesteckt. Ihre Dienerschaft erhält keine klaren Anweisungen mehr und beginnt alsbald, sich vor der Arbeit zu scheuen. Und schon ist der ganze ehedem so vornehme Haushalt verlottert.«
    Sah Fawcett in meine Richtung? Hatte Bessie ihm von Bens unschuldigem Glas Porter und unserer gelegentlichen Flasche Wein erzählt? Meine ursprüngliche Nervosität wich allmählich Ärger.
    Doch die Ansprache war vorbei. Fawcetts Ton wurde pragmatisch. Er erinnerte uns daran, dass die alkoholabhängigen Armen viel Arbeit erforderten, und bat uns, großzügig zu spenden, um die zahlreichen Projekte unter seiner Leitung zu unterstützen. Unser Geld wäre nicht verschwendet, und der Dank des Himmels wäre uns gewiss.
    Dann wischte er sich mit einem frisch gestärkten weißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn und verließ das Podium, vermutlich, um sich zu erholen. Mr. Pritchard lud uns mit hoher Stimme ein, nach vorn zu treten und ein Gelöbnis zu unterschreiben, niemals wieder einen Tropfen starken Alkohols anzurühren. Das Dokument lag auf dem Pult. Drei oder vier Leute gingen hin. Während sie ihre Namen niederschrieben, setzte sich Mr. Walters an das Klavier. Wir erhoben uns für ein abschließendes Lied, während Mr. Pritchard, stark transpirierend, mit einem Körbchen herumging und die Kollekte einsammelte. Als es bei mir ankam, war es schon fast voll. Bewegt von Mr. Fawcetts Eloquenz und seiner abschließenden Bitte waren die Besucher der Betstunde großzügig gewesen. Ich ließ einen maßvollen Shilling in das Körbchen fallen und klopfte Bessie auf die Hand, als ich bemerkte, dass sie ihrerseits zwei Pence hineingeben wollte. »Ich habe für uns beide gespendet!«
    Mr. Pritchard musterte mich mit einem tadelnden Blick,

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