Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
zur Vernunft.
»Es ist nicht ihre Schuld«, sagte ich rasch. »Man hat ihr eingeredet, es wäre ihre Pflicht. Doch ich habe nicht die geringste Absicht, ihr das Austeilen von Flugblättern zu erlauben, ganz gleichgültig, welchen Inhalts sie sein mögen.«
»Dann soll es so sein«, antwortete Fawcett ausdruckslos. »Du musst keine Flugblätter austeilen, Bessie, wenn deine Herrin dies nicht möchte. Du hättest zuerst ihre Erlaubnis einholen sollen.«
»Jawohl, Sir«, sagte Bessie todunglücklich.
»Vielleicht könntest du beim Einsammeln der leeren Becher helfen, Bessie«, sagte ich zu ihr.
Bessie zog sich zögernd zurück, ohne uns aus den Augen zu lassen.
»Ich mache Bessie keine Vorwürfe«, fuhr ich an Fawcett gewandt fort. »Ich möchte, dass Sie das verstehen. Ich war beeindruckt von Ihrer Predigt, aber ich bin nicht damit einverstanden, dass man mit den Emotionen von Menschen spielt, und ich denke, es ist vollkommen unangemessen, Kinder und junge Leute auszunutzen.«
Ich hörte, wie Mrs. Scott scharf die Luft einzog, doch ich ließ mich nicht irritieren und sah Fawcett weiter geradewegs in die Augen.
Zu meiner Überraschung antwortete er mit einem weiteren wohlwollenden Lächeln. Und dann besaß er zu allem auch noch die Unverschämtheit, meine Hand zu ergreifen. Seine Finger waren lang und schmal, und seine Fingernägel waren sorgfältig manikürt.
»Meine liebe Mrs. Ross«, sagte er, indem er sich erneut vorbeugte, sodass mir seine beinahe hypnotischen Augen noch gegenwärtiger waren. »Sie glauben nicht.«
»Ich bin nicht hergekommen, um mit Ihnen über meinen Glauben zu sprechen!«, schnappte ich, indem ich meine Hand zurückriss.
»In der Tat, da haben Sie natürlich recht. Ich meinte auch nicht Ihren Glauben, sondern den Glauben an das, was wir hier tun . Ich hoffe wirklich sehr, Sie besuchen uns noch einmal und lassen sich überzeugen, unserer Sache beizutreten.«
Mit diesen Worten und einem weiteren Lächeln verneigte er sich und ging davon, um sich einer wartenden Anhängerin zuzuwenden.
Ich begegnete Mrs. Scotts Blick. Ihre Augen waren auf mich gerichtet, und in ihnen stand unverhohlene Abneigung.
Als wir den Saal und die Versammlung verließen, wartete draußen eine private Kutsche. Ich fragte mich, wem sie gehören mochte. Vermutlich Mrs. Scott.
»Ist er nicht beeindruckend?« Bessies Frage riss mich aus meinen Gedanken.
»Das ist er, ohne Zweifel«, antwortete ich.
»Und ein gut aussehender Gentleman ist er auch«, fuhr Bessie in sehnsüchtigem Ton fort.
»Ja. Er wird aufpassen müssen, dass er nicht der Sünde der Eitelkeit verfällt«, entgegnete ich scharf.
Bessie sah mich verblüfft an und schwieg.
In diesem Augenblick ertönte Hufgeklapper und das Rattern von Rädern, und die Kutsche, die mir vor dem Saal aufgefallen war, passierte uns. Ich fand Gelegenheit zu einem Blick ins Innere und erspähte Mr. Fawcett und Mrs. Scott.
Ich fragte mich, ob die Lady ihn aus reiner Freundlichkeit zu seiner Unterkunft zurückbrachte oder ob sie ihn mit zu ihrem eigenen Haus nahm, vielleicht, um dort vor einer kleineren, mehr erlesenen Gruppe zu reden. Ich hegte die Vermutung, dass Fawcett mit seinen taubengrauen Hosen, den langen Locken und der diamantenen Krawattennadel in einem modischen Salon eine begehrenswerte Attraktion darstellte.
Zu Hause angekommen, schilderte ich Ben meine Erlebnisse.
»Hast du die Absicht, Bessie den Besuch dieser Betstunden zu verbieten?«, fragte er, nachdem er mich geduldig angehört hatte.
Ich zögerte. »Ich weiß es nicht. Nein, nicht sofort, denke ich. Sie wäre verärgert und aufgebracht und würde ihn in ihrem Trotz nur noch mehr anhimmeln. Ich habe ihm gesagt, was ich denke, und ich glaube, sie werden in Zukunft vorsichtiger sein mit dem, was sie von ihr verlangen. Jetzt, wo sie wissen, dass ich sie beobachte.«
Ben lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Das ist doch noch nicht alles, Lizzie«, sagte er. »Erzähl mir, was dich an diesem Fawcett so beunruhigt.«
»Ich denke«, sagte ich langsam, »ich denke, dass er ein ziemlich gefährlicher Mann sein kann.«
Ben hob die schwarzen Augenbrauen. »Gefährlich?«
»Oh, nicht auf die Art und Weise, mit der du es normalerweise zu tun hast«, beeilte ich mich zu sagen. »Ich glaube nicht, dass er jemanden angreifen könnte. Es ist nur, dass er so viel Macht über seine Zuhörer hat, wenn er zu ihnen spricht. Glaub mir, Ben, diese Frauen, selbst die Männer im Saal – sie hätten alles
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