Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
»Wie heißen Sie?«
»Gray, Sir. Francis Gray.« Er verneigte sich würdevoll. »Ich bin seit einem halben Jahr der Assistent von Mr. Angelis.«
»Und Sie waren am vergangenen Samstag hier, als Miss Marchwood in den Laden – die Galerie kam auf der Suche nach Mrs. Benedict?«
»Das war ich, Inspector. Ich bin zusammen mit Mr. Angelis losgegangen, um nach ihr zu suchen. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen.« Tragödie schien diesem jungen Mann wie auf den Leib geschneidert. Vielleicht war sie unter den gegebenen Umständen auch verständlich. Nichtsdestotrotz – ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie er einen Witz erzählte, auch nicht in glücklicheren Zeiten.
»Waren Sie im Park?«
Er sah mich verletzt an. »Selbstverständlich nicht! Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie in den Park gegangen ist! Bei diesem Nebel! Ich hätte durch den ganzen Park laufen können und sie doch nicht gefunden. Ich nahm an, dass überhaupt keine Besucher unterwegs waren.« Sein Tonfall war sanft tadelnd.
Wir hatten die Tür des Büros erreicht, und ich beschloss, ihn fürs Erste vom Haken zu lassen.
Er schien erleichtert, wie es normal ist für die Leute, wenn das Interesse der Polizei an ihnen erlischt, und verschwand durch die Tür, um den Geschäftsführer über mein Auftauchen zu unterrichten.
Ich blickte mich um. An den Wänden hingen geschmackvoll verteilt mehrere Gemälde, hauptsächlich in Öl, aber auch Wasserfarben. Die Letzteren bildeten eine eigene Gruppe und schienen von ein und demselben Künstler zu stammen.
Direkt hinter mir – so nah, dass ich zusammenschrak, als ich mich umdrehte – stand eine Statue. Es war ein unglaublich widerlich dreinblickender Satyr, und weil er auf einer Konsole stand, starrte er mir direkt in die Augen. Ich vermag nicht zu beschreiben, wie bösartig sein Blick auf mich wirkte, und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie jemand so ein Ding in seinem Haus haben wollte.
Gray war zurück. »Hier entlang, Sir.« Er öffnete die Bürotür. »Ein Inspector Ross.«, verkündete er. »Vom Scotland Yard, Sir.«
Warum »ein« Inspector Ross?, fragte ich mich. Ob er annahm, dass es beim Scotland Yard mehr Inspektoren meines Namens gab?
Angelis war ein attraktiver Mann, groß gewachsen, um die vierzig, mit levantinischem Teint. Sein dichtes schwarzes Haar war gelockt und reichte bis über den Kragen. An den Schläfen zeigte sich bereits ein deutlicher silberner Schleier. Er hatte tief liegende, große schwarze Augen und dichte schwarze Brauen. Der schwarze Rock und die Hosen wurden nur wenig aufgelockert von einer dunkelroten Samtweste, doch diese triste Garderobe war kaum passend für jemanden wie ihn. Er schien irgendwie in eine exotische, vergangene Zeit zu gehören. Ich konnte ihn mir am Hof eines byzantinischen Kaisers vorstellen, gekleidet in goldene Gewänder.
Er empfing mich würdevoll, ließ mich in einem komfortablen Ledersessel Platz nehmen und bot mir ein Glas Sherry an. Ich dankte ihm und lehnte den Sherry ab.
»Ich bedaure außerordentlich, Inspector, dass meine eigenen Bemühungen, Mrs. Benedict zu finden, erfolglos geblieben sind«, begann er mit geschmeidiger Stimme. »Die Nachricht, als wir sie schließlich erfuhren, war schrecklich! Ich weiß überhaupt nicht, wie Mr. Benedict damit fertig wird. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit ich bei ihm in Egham war an jenem traurigen Abend.«
»Und davor?«, fragte ich. »Wann haben Sie ihn davor zum letzten Mal gesehen?«
Angelis legte die Fingerspitzen aneinander. Ich meinte zu erkennen, dass die Nägel poliert waren. »Warten Sie, Inspector. Das muss Mittwoch vergangener Woche gewesen sein. Normalerweise kommt Mr. Benedict dienstags, mittwochs und donnerstags in die Galerie. Freitags ist er nur selten hier, und samstags niemals. Montags haben wir geschlossen.«
Das stimmte überein mit den Informationen, die Benedict mir gegeben hatte. »War Mrs. Benedict oft in seiner Begleitung?«, wollte ich wissen.
Angelis bedachte diese Frage mit der gleichen Sorgfalt wie die vorhergehende, bevor er antwortete. »Ich hatte Mrs. Benedict seit wenigstens drei Wochen nicht mehr gesehen. Ich würde nicht sagen, dass sie häufig mitkam. Aber gelegentlich, ja. Mr. Benedict brachte sie hin und wieder mit, um ihr eine Erwerbung zu zeigen, auf die er besonders stolz war. Oder sie kam vorbei, wenn sie zum Einkaufen in der Stadt gewesen war, aber nur, wenn sie wusste, dass ihr Mann da
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