Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
dazu. Als er sah, wie Miss Marchwood das Haus verließ, folgte er ihr und stieg in denselben Zug. Es sei denn …«, fügte ich hinzu, als mir ein Gedanke kam. »Es sei denn, der Mörder hatte einen Komplizen. Der erste Mann, der das Haus beobachtete, folgte ihr bis zum Bahnhof und hat von dort voraustelegrafiert, dass sie im Waggon erster Klasse sitzt. Die zweite Person hat irgendwo unterwegs gewartet, in Richmond beispielsweise, und ist zu Miss Marchwood in das Abteil gestiegen.«
»Aber warum wurde sie überhaupt ermordet?«, fragte Dunn unverblümt.
»Weil der – oder die Mörder fürchten mussten, dass sie letzten Endes reden und uns verraten würde, was sie wusste. Ich glaube, sie war auf dem Weg zu uns. Oder zu meiner Frau.«
Dunn hob die Augenbrauen.
»Lizzie hat gestern Abend mit ihr gesprochen, nach dem Treffen der Temperenzbewegung«, erläuterte ich. »Sie hat Miss Marchwood bedrängt, sie ins Vertrauen zu ziehen, doch die Lady wollte nicht. Die Unterhaltung könnte jedoch durchaus dazu geführt haben, dass sie später ihre Meinung geändert hat in Bezug auf ein offenes Gespräch mit der Polizei. Was auch immer das Geheimnis sein mag, das sie mit sich herumtrug, es war eine erdrückende Last. Sie war eine fromme Person und höchst respektabel, in jeder Hinsicht. Sie wollte sich von dieser Last befreien, dieser Bürde, und der Mörder muss das gewusst haben. Er beschloss, dafür zu sorgen, dass sie es nicht mehr bis zur Polizei schaffte.«
»Ich wiederhole – steckt Benedict selbst dahinter?«, forderte Dunn mich erneut heraus.
»Ich schließe ihn nicht aus, Sir«, sagte ich mit einem Seufzer, weil ich sah, dass Dunn eine neue fixe Idee in seinem Kopf hatte. »Nach meinem ersten Besuch in Benedicts Haus entwickelte er eine plötzliche und heftige Abneigung gegen Isabella Marchwood. Er setzte sie jedoch nicht auf der Stelle mit Sack und Pack vor die Tür, wie man vielleicht erwarten würde angesichts seines Wunsches, dass sie ihm nicht mehr unter die Augen kommen möge. Warum hat er sie noch im Haus behalten? Lag es einfach daran, dass seine Frau, wie er sagt, die Gesellschafterin als Freundin empfand? Oder wollte er auf diese Weise dafür sorgen, dass er wusste, wo sie steckte und was sie tat?« Ich zögerte. »Ich kann nicht anders, ich muss immer wieder an das denken, was dieser elende Sully über Benedict gesagt hat.«
»Wer ist Sully?«, fragte Dunn.
»Der Assistent von Dr. Carmichael, Sir. Sie werden ihn wahrscheinlich nicht kennen. Er ist ein unangenehmer Kerl, dessen bloßer Anblick einem Schauer über den Rücken jagt. Er liebt seine Arbeit mit den Leichen, glaube ich. Wie dem auch sei, er wollte von mir wissen, ob ich glaube, der Ehemann hätte sie umgebracht, und falls ja, warum im Park? Warum nicht zu Hause? Aber das wäre natürlich zu offensichtlich gewesen. Benedict wäre auf der Stelle verhaftet und sämtliches Hauspersonal wäre als Zeugen herangezogen worden. Doch er könnte seiner Frau nach London gefolgt sein an jenem Samstagnachmittag.«
»Und heute ist er dieser Marchwood gefolgt? Sie mögen wetten, dass irgendjemand das Haus beobachtet – ich setze mein Geld darauf, dass der Ehemann dahintersteckt. Sie fahren besser gleich nach Egham und reden erneut mit ihm.«
»Jawohl, Sir. Sir … ich hätte da noch eine Frage.«
Dunn hob die buschigen Augenbrauen. »Schießen Sie los, Mann! Was gibt’s?«
»Dieser Prediger, Joshua Fawcett, die Hauptattraktion bei den Temperenzversammlungen, die Isabella Marchwood besucht hat … Ich vermute, er könnte der Mann gewesen sein, mit dem Allegra Benedict sich treffen wollte, auch wenn ich keinerlei Beweise habe, dass sie ihn persönlich kannte. Doch sie wusste mit nahezu völliger Sicherheit aus den Erzählungen ihrer Gesellschafterin von ihm. Sie hatte eine große Summe Geldes bei sich. Ihr Pompadour mit dem Geld darin wurde nie gefunden. Ich denke, Fawcett ist möglicherweise ein Trickbetrüger, der einsame Frauen ausnimmt, indem er sie dazu überredet, ihm Geld für seine vorgeblich guten Taten zu spenden. Falls ich recht habe, so hat er diese Masche möglicherweise schon in anderen Städten angewendet. Meine Frau beschreibt ihn als jung, etwa dreißig, vielleicht ein wenig älter, aber mit dem Aussehen eines Dreißigjährigen. Er ist elegant gekleidet und trägt eine diamantenbesetzte Nadel in der Krawatte. Er hat lange Haare und blaue oder grüne Augen. Er ist äußerst eloquent und geschickt darin, sein Publikum zu
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