Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
Zimmermädchen mit einem verärgerten Wink und wandte sich wieder an mich. »Wie um alles in der Welt ist das möglich, dass die Marchwood auf dem Bahnhof von Waterloo ermordet wurde? Es herrscht reger Betrieb dort, alles voller Menschen. Abgesehen davon, wer sollte sie umbringen wollen?« Er klang völlig verwirrt, und ich meinte sogar einen Unterton von aufkeimender Panik in seiner Stimme zu erkennen.
»Ich fürchte, sie ist erst gar nicht lebend in Waterloo angekommen, Sir. Sie wurde im Zug ermordet, irgendwann hinter Richmond.« Ich achtete aufmerksam auf seine Reaktion. »Wir wissen das deswegen so genau, weil der Schaffner zwischen Twickenham und Richmond mit ihr gesprochen hat, bevor er in Richmond aus dem Waggon ausgestiegen ist. Zu diesem Zeitpunkt war Miss Marchwood allein im Waggon und noch am Leben. Doch im Bahnhof von Waterloo entdeckte der gleiche Schaffner, dass sie inzwischen den Tod gefunden hatte.«
»Ein Herzanfall?«, flüsterte Benedict. Ich konnte seine Worte kaum verstehen.
»Nein, Sir, definitiv kein Herzanfall.« Ich zögerte. »Und auch keine andere natürliche Todesursache.«
Benedict setzte sich schwer in einen Sessel und starrte zu mir hoch. Seine Hände hielten die Lehnen fest gepackt. Sein Gesichtsausdruck war gehetzt, und ich denke, er schenkte mir erst in diesem Augenblick Glauben.
Er hat es nicht gewusst , dachte ich. Er ist nicht unser Mörder. Dunn irrt sich.
»Wer hat sie umgebracht?«, fragte er mit belegter Stimme.
»Das wissen wir nicht, Sir. Sie starb auf die gleiche Weise wie Mrs. Benedict.«
Ein schmerzlicher Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, und er zuckte zusammen.
»Warum?«, fragte er.
»Ich weiß nicht, warum, Sir. Ich vermute, dass sie auf dem Weg zum Scotland Yard war. Vielleicht ist ihr etwas eingefallen, das sie uns sagen wollte.«
»Sie hätte es mir sagen können!«, brauste Benedict auf. Er beugte sich in seinem Sessel vor, das Gesicht mit einem Mal rot vor Ärger. »Aber sie hat es nicht gewagt. Weil sie sich geschämt hat, Ross! Geschämt! Sie und ich, wir wissen beide den Grund.«
Er verstummte, doch der Ärger schien aus ihm herauszuströmen. Er sah mich voller Hass an. Er war überzeugt, dass seine Frau ihn betrogen hatte – und dass ich darüber Bescheid wusste. In seinen Augen war er der gehörnte Ehemann, die jahrhundertealte Lachfigur.
»Wir wissen nicht genau, warum«, sagte ich behutsam.
Es stimmte schließlich. Ich hatte eine Theorie, dass Isabella Marchwood auf dem Weg zu mir gewesen war, genauso, wie ich Fawcett verdächtigte, der Mann zu sein, für den das Geld in Mrs. Benedicts Pompadour bestimmt gewesen war. Doch ich hatte keinerlei Beweise. Fawcett würde nichts zugeben. Ich musste schon mehr gegen ihn in der Hand haben, und das war der Grund, weswegen ich Dunn gebeten hatte, mir bei der Suche zu helfen. Ich wusste immer noch nicht, wer Allegra Benedict umgebracht hatte, und es wäre ein gefährlicher Fehler anzunehmen, dass die beiden Verbrechen, Erschleichen von Geld durch Täuschung auf der einen und Mord auf der anderen Seite automatisch miteinander in Verbindung standen.
Die Menschen zu schröpfen macht einen Mann nicht zum Mörder. Wenn überhaupt, dann eher das Gegenteil. Der Mut von Trickbetrügern erstreckt sich darauf, Geld von den Leichtgläubigen zu ergaunern. Sie sind selten, falls überhaupt jemals, gewalttätig, und sie verlassen sich stattdessen auf ihren Einfallsreichtum und ihre Schlagfertigkeit. Enttarnt machen sie sich aus dem Staub und versuchen ihr Glück woanders. Genau das würde Fawcett tun, sollte ich ihn ohne Beweise mit den Vorwürfen konfrontieren. Er würde einfach verschwinden und sich in einer anderen Stadt neu erfinden.
Was die Frage anging, ob mehr als Geld im Spiel gewesen war – wer wusste das schon zu sagen? Vielleicht hatte Allegra überhaupt keine Affäre mit Fawcett gehabt. Hatte ihre hingebungsvolle Freundin und Gesellschafterin am Ende nur das Wissen verheimlichen wollen, dass Allegra den Schmuck ihrer Mutter verkauft hatte, um dem Mann Geld zu geben?
Ein aufgeschreckter Ehemann benötigt keine Beweise. Nur Verdachtsmomente und ein instinktives Wissen, dass er irgendwie getäuscht wurde. Er geht automatisch vom Schlimmsten aus. Benedict wusste, dass seine Ehe keine Liebesheirat gewesen war. Er war viel älter als seine Frau, sie war eine Schönheit gewesen und er andererseits höchst gewöhnlich. Vielleicht hatte er vom ersten Tag an befürchtet, dass irgendwann ein jüngerer
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