Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
zur Sprache, der mir nachlässigerweise entgangen war. »Hatte sie eine Handtasche, Williams? Wo hat sie ihren Fahrschein aufbewahrt?«
»Sie hatte eine kleine schwarze Handtasche, Sir …«
Williams sank unvermittelt in die Knie und griff mit dem Arm unter die Sitzbank, auf der Isabella Marchwoods zusammengesunkene Gestalt saß. Er brachte eine kleine, mit schwarzen Perlen besetzte Handtasche zum Vorschein und hielt sie triumphierend in die Höhe. »Hier ist sie, Gentlemen! Die arme Frau muss sie während des Angriffs fallen gelassen haben. Dann wurde sie unter den Sitz getreten, ohne dass der Mörder etwas davon bemerkt hat.«
»Dann war Raub also nicht das Motiv«, bemerkte Burns, indem er die Handtasche an sich nahm und öffnete. »Sehen Sie, hier ist etwas Geld, und hier …« Er nahm ein kleines rechteckiges Stück Karton hervor. »Hier ist der Fahrschein, ausgestellt in Egham.« Er reichte ihn mir. »Wenn Sie fertig sind, Mr. Ross, dann lasse ich den Leichnam jetzt entfernen. Man wird ihn in die Totenhalle des St. Thomas Hospitals bringen.«
»Ja, richtig«, stimmte ich zu, während ich den kleinen Fahrschein in meiner Hand untersuchte. Es war ein Rückfahrschein, doch die Rückfahrt würde Isabella Marchwood nie antreten.
»Was sind das für Leute, die versuchen, umsonst mitzufahren?«, fragte ich.
»Hauptsächlich junge Leute«, antwortete Burns. »Hin und wieder ein Landstreicher oder ein Geck, der zu viel getrunken hat.«
Ich wandte mich ein letztes Mal an Williams. »Und nach dieser Sorte von Leuten haben Sie Ausschau gehalten?«
»Jawohl, Sir«, sagte Williams kleinlaut.
Unser Mörder war zweifelsfrei anständig gekleidet gewesen, und das für sich genommen kann ebenso sehr täuschen wie ein Totenhemd.
KAPITEL ZEHN
Inspector Benjamin Ross
»Die Frage, die mir in den Sinn kommt, ist nicht nur, wo der Mistkerl in den Zug gestiegen ist und ihn wieder verlassen hat, sondern auch, woher zum Teufel er wusste, dass die Marchwood genau in diesem Zug saß«, rumpelte Superintendent Dunn, als ich ihm nach meiner Rückkehr zum Scotland Yard Bericht erstattete.
»Den gleichen Gedanken hatte ich auch, Sir«, pflichtete ich ihm bei. »Und die einzige zufriedenstellende Antwort, die ich darauf geben kann, lautet, dass er sie beobachtet haben muss, als sie in Egham eingestiegen ist.
Ich will andere Möglichkeiten nicht von vornherein ausschließen. Er könnte später in Richmond zugestiegen sein, nachdem Williams den Waggon mit dem Opfer verlassen hatte. Er könnte ungesehen hinter dem Rücken des Schaffners eingestiegen sein. Er könnte anschließend in Clapham wieder ausgestiegen sein. Oder er ist erst in Clapham ein- und in Vauxhall ausgestiegen oder in Vauxhall ein- und zusammen mit allen anderen Reisenden in Waterloo ausgestiegen. Das käme beispielsweise dann infrage, wenn es ein willkürlicher Mord gewesen wäre.
Aber wenn er geplant war, wovon ich überzeugt bin, dann ist die einfachste Erklärung, dass er in Egham eingestiegen ist. Er behielt den Schaffner im Blick und wartete geduldig, bis Williams die erste Klasse, wo Miss Marchwood saß, kontrolliert hatte. Er überzeugte sich, dass kein anderer Reisender in ihrem Abteil war. Nachdem er sicher war, dass niemand ihn würde stören können, sprang er bei diesem oder einem der folgenden Halts aus dem Waggon, eilte schnell zur ersten Klasse und schlüpfte hinein, nachdem Williams ausgestiegen war. Williams war auf dem Weg zum anderen Ende des Zuges und wandte ihm den Rücken zu, oder er war schon wieder in einem Waggon verschwunden.«
Eine Pause entstand, während Dunn sich nachdenklich den Kopf rieb. Schließlich verschränkte er die Hände vor sich auf dem Schreibtisch und sah mich an. »Also lebt unser Mörder ebenfalls in Egham? Wollen Sie das damit sagen? Reden wir von Benedict? Wenn Sie recht haben, scheint er ganz oben auf der Liste zu stehen.«
»Nicht unbedingt«, sagte ich rasch. »Auch wenn ein misstrauischer und eifersüchtiger Ehemann ein nahe liegender Verdächtiger ist. Wir wissen allerdings noch nicht, wie viele Personen in diese Sache verwickelt sind. Eine weitere Person könnte das Haus beobachtet haben. Er – oder unser Mörder – ist nach Egham gefahren, zum Haus auf dem Berg gelaufen und hat sich auf dem Gelände herumgetrieben. Er konnte sich leicht verbergen. Das Anwesen ist groß, und es gibt zahlreiche Bäume und Büsche … Falls er das Haus unbeobachtet observieren wollte, hatte er jede Gelegenheit
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