Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
der Tat lobenswert«, sagte ich. »Predigt er denn ausschließlich in London oder auch woanders? Beispielsweise hier in Clapham?«
»Ich war imstande, ihm eine ganze Reihe Mitbürger aus Clapham vorzustellen«, erwiderte sie stolz. »Im Verlauf meiner regelmäßig stattfindenden Soireen.«
Und die Mitbürger von Clapham, zumindest diejenigen, die in den großen, komfortablen Häusern und Villen lebten, die ich gesehen hatte, verfügten über genügend Geld, um eine gute Sache zu unterstützen. Ich fragte mich, wie viel Geld Fawcett einzusammeln imstande gewesen war, seit er mit seinen Predigten im Temperenzsaal angefangen hatte. Zweifellos eine ganze Menge. Und welche Kontrollen stellten sicher, dass es auf die von Mrs. Scott so energisch dargestellte Weise ausgegeben wurde?
Ich wusste, wie diese Masche funktionierte. Mein Vater war Arzt und Polizeiarzt in einer kleinen Gemeinde gewesen. Er hatte über alles Bescheid gewusst, was hinter den Kulissen vorging, einschließlich vieler Details über alle möglichen Verbrechen. Ich war nicht nur seine Tochter gewesen, sondern auch seine Haushälterin und Gesellschafterin. Oft hatten wir abends beisammengesessen, und er hatte mir von seinem Arbeitstag erzählt. Von Fällen, in denen die Öffentlichkeit vermittels einer kunstvollen Masche getäuscht und um ihr Geld betrogen worden war. Fawcett hatte sicher keine Mühe, erforderlichenfalls eine geeignete »bekehrte Familie« für eine Inspektion durch Interessierte aus dem Hut zu zaubern. Der Besucher würde einen sauberen, ordentlichen Wohnraum zu Gesicht bekommen, einen geläuterten Haushaltsvorstand mit einer regelmäßigen Arbeit sowie eine anständig gekleidete Ehefrau mitsamt Kindern, die alle strahlten und ihr Loblied auf Mr. Fawcett sangen – genau so, wie Mrs. Scott es mit eigenen Augen gesehen hatte.
Die »geläuterte Familie« wurde von Fawcett bezahlt. Jeder interessierte Besucher bekam die gleiche Szene zu sehen, mit den gleichen Personen darin. Auf die gleiche Weise war wohl auch der Inhaber der von Mrs. Scott beschriebenen Spelunke geschmiert worden, sodass ein potenzieller Spender für die gute Sache einen Blick auf das Elend werfen konnte. Vielleicht war sogar vorher Geld unter den Zechenden verteilt worden, um sicherzugehen, dass sie zum Zeitpunkt von Mrs. Scotts Besuch auch wirklich alle in dem traurigen Zustand waren, den sie erlebt hatte. Doch es war zwecklos – sie würde mir nicht glauben, wenn ich ihr irgendetwas davon erzählte.
Ich konnte meinen Besuch nicht noch länger ausdehnen. Ich war nicht sicher, ob ich irgendetwas erfahren hatte außer einer Bestätigung für Bens Verdacht, dass Fawcett Spendengelder von wohlhabenden Leuten eintrieb, die er bei Soireen kennenlernte – und für meinen eigenen, dass Fawcett ein durchtriebener Scharlatan war.
Nichtsdestotrotz sollte ich auf dem Nachhauseweg noch ein interessantes Detail erfahren.
»Was hat die Haushälterin erzählt?«, fragte ich Bessie. »Du hast ihr doch gesagt, dass Miss Marchwood tot ist?«
Bessie nickte. »Ja, habe ich. Sie war völlig entsetzt. Schockiert. Es wäre ganz furchtbar, meinte sie, und Miss Marchwood wäre ja so eine nette Person gewesen. Sie wäre viele Male bei den Swarrees der gnädigen Herrin zu Gast gewesen.« Bessie bedachte mich mit einem triumphierenden Blick. »Genau wie ihre italienische Herrin, die erdrosselt worden wäre.«
Mrs. Scott hatte sorgfältig vermieden, mir das zu verraten.
»Bist du sicher?«, fragte ich Bessie aufgeregt.
»Mrs. Field, das ist der Name der Haushälterin, hat mir erzählt, dass gelegentlich eine sehr schöne Lady mit Miss Marchwood gekommen wäre, und dass diese Lady Italienerin gewesen wäre. Mrs. Field hat in der Zeitung von ihrer Ermordung gelesen, und sie sagt, eine respektable Frau kann heutzutage nicht mehr den Fuß vor die Tür setzen, ohne dass ihr irgendein mörderischer Halunke auflauert. Mrs. Field hat eine Schwester, die in Cheapside wohnt. Jetzt hat sie Angst, an ihrem freien Tag in den Zug zu steigen, um ihre Schwester zu besuchen. Mrs. Field ist ebenfalls Witwe, Missus. Soldatenwitwe, genau wie Mrs. Scott. Ihr Mann war Sergeant und zur gleichen Zeit in Indien wie Major Scott, und deswegen ist sie jetzt die Haushälterin von Mrs. Scott. Jedenfalls, Mrs. Field sagt, in Indien hätte es Menschen gegeben, die Thugs genannt wurden. Sie hätten sich mit arglosen Reisenden angefreundet und diese dann ermordet und ausgeraubt. Sie sagt, es wird hier in
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