Ein Mord wird angekündigt
Ich kannte einen Colonel Haymes – indische Kavallerie. Ihr Vater vielleicht?«
»Sie ist eine Mrs Haymes. Witwe. Ihr Mann ist auf Siz i lien oder sonst irgendwo in Italien gefallen. Aber vie l leicht war es ja sein Vater.«
»Na, da spinnt sich vielleicht eine kleine Romanze an?«, vermutete Miss Marple errötend. »Mit diesem großen jungen Mann?«
»Mit Patrick, meinen sie? Oh, ich weiß nicht – «
»Nein, ich meinte einen jungen Mann mit Brille. Ich sah ihn neulich.«
»Oh, natürlich, Edmund Swettenham! Tja – seine Mu t ter, Mrs Swettenham, sitzt übrigens dort drüben in der Ecke. Tja, also, ich weiß nicht. Sie glauben, er verehrt sie? Er ist ein so seltsamer junger Mann – sagt manchmal die verwirrendsten Dinge. Aber er gilt als sehr klug, verst e hen Sie«, sagte Miss Bunner mit leichtem Zweifel in der Stimme.
»Klugheit ist nicht alles«, erwiderte Miss Marple, nac h denklich den Kopf schüttelnd. »Ah, da ist ja unser Ka f fee.«
Das mürrische Mädchen servierte ihn mit heftigem G e klirr.
Dann sagte Miss Marple: »Ich hatte gar nicht gewusst, dass Sie eine Schulfreundin von Miss Blacklock sind. Das ist eine wunderbare Sache, Freundschaften aus der Kin d heit.«
»Jawohl.« Dora Bunner seufzte. »Es gibt nur wenige Menschen, die so treu zu alten Freunden halten wie me i ne liebe Letitia. Mein Gott, wie lange liegt das schon z u rück! Sie war ein so hübsches Mädchen und genoss das Leben so sehr. Und dann wurde alles so traurig.«
Obwohl Miss Marple keine Ahnung hatte, was so tra u rig gewesen war, nickte sie seufzend und murmelte:
»Ja, das Leben ist manchmal schwer!«
»Schweres Leiden tapfer ertragen«, murmelte nun Dora mit Tränen in den Augen, »an diesen Vers muss ich i m mer denken. So viel Ergebenheit und Geduld müssen belohnt werden, das sage ich immer. Nichts ist zu gut für die liebe Letitia, und was immer ihr noch Gutes beschi e den wird, das verdient sie.«
»Ja, Geld kann einem das Leben sehr erleichtern«, sagte daraufhin Miss Marple – sie nahm an, dass sich Doras Bemerkung auf die Miss Blacklock bevorstehende Er b schaft bezog.
Diese Worte riefen bei Dora jedoch eine unerwartet heftige Reaktion hervor.
»Geld!«, stieß sie bitter hervor. »Was Geld wirklich b e deutet, weiß man nur, wenn man unter Geldmangel geli t ten hat.«
»Oh ja, das verstehe ich«, sagte Miss Marple freundlich und betrachtete mitfühlend Doras zuckendes Gesicht.
»Ich schrieb an Letty«, erzählte nun Dora, »weil ich z u fällig ihren Namen in der Zeitung las; sie hatte an einem Wohltätigkeitsbasar zu Gunsten des Krankenhauses Milchester teilgenommen. Das brachte mir die Verga n genheit in Erinnerung. Ich hatte viele, viele Jahre nichts mehr von ihr gehört. Wissen Sie, sie war Sekretärin dieses immens reichen Mannes Goedler gewesen. Ich sagte mir, vielleicht erinnert sie sich an mich … und sie ist bestimmt ein Mensch, den ich um eine kleine Unterstützung ang e hen könnte.«
Wieder stiegen Dora Tränen in die Augen.
»Und dann kam Lotty und nahm mich mit. Sie sagte, sie brauche eine Hilfe zur Führung ihres Haushalts. Natü r lich war ich sehr überrascht … sehr überrascht. Und wie lieb war sie, wie mitfühlend. Und sie erinnerte sich noch so gut an die alten Zeiten … Ach, ich würde alles für sie tun, alles! Und ich bemühe mich so sehr, ihr zu helfen, aber ich fürchte, dass ich zuweilen ein großes Durchei n ander anrichte … mein Kopf ist nicht mehr der gleiche wie früher. Ich mache Fehler, und ich bin vergesslich, und ich sage törichte Dinge. Aber sie hat so viel Geduld mit mir.«
Sie schniefte – offensichtlich untröstlich über ihre U n zulänglichkeit. »Wissen Sie«, fuhr Dora Bunner schlie ß lich fort, »ich machte mir große Sorgen, auch als ich schon in Little Paddocks war, was aus mir werden würde, wenn Letty etwas zustieße. Schließlich gibt es doch so viele Unglücksfälle; diese herumrasenden Autos, man weiß doch nie, was passieren kann. Natürlich habe ich nie so etwas gesagt, aber sie muss es erraten haben. Eines Tages teilte sie mir ganz überraschend mit, dass sie mich in ihrem Testament mit einer kleinen Jahresrente bedacht habe und dass ich ihre schönen Möbel erben würde, was ich noch viel höher schätze. Ich war ganz überwältigt … Ich bin eigentlich gar nicht so dumm, wie ich aussehe«, fuhr sie schlicht fort. »Ich merke sehr wohl, wenn man Letty ausnutzen will. Einige Leute – ich werde keine N a men nennen – nutzen sie aus.
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