Ein Mord wird angekündigt
gemordet hatte?«
»Oh nein. Beide hatten sie als Erbin eingesetzt. Sie lie b te das Geld, weißt du … «
»Hast du eigentlich Offiziere von der anglo-indischen Armee gekannt, Tante?«, fragte Bunch unvermittelt.
»Ja, mein Kind. Major Vaughan und Colonel Wright, die wohnten in meiner Nähe. Beide waren sehr korrekte Herren. Aber ich erinnere mich noch, dass ein anderer Nachbar, Mr Hodgson, ein Bankdirektor, auf einer Übe r seefahrt eine Frau kennen lernte und heiratete, die seine Tochter hätte sein können. Er hatte keine Ahnung, woher sie kam, er wusste nur das, was sie ihm erzählt hatte.«
»Und das stimmte nicht?«
»Keineswegs, mein Kind.«
»Wie interessant«, sagte Bunch nickend und begann an den Fingern abzuzählen. »Da haben wir die treue Dora und den schönen Patrick und Julia und Mrs Swettenham und Edmund und Phillipa Haymes und Colonel Easterbrook und Mrs Easterbrook … ich glaube, bei ihr stimmt auch nicht alles, aber was sollte sie für ein Intere s se daran haben, Letty Blacklock zu ermorden?«
»Letty Blacklock könnte vielleicht etwas von ihr wissen, was ihr, Mrs Easterbrook, peinlich ist.«
Plötzlich blickte Miss Marple entsetzt drein.
»Tante Jane!«, rief Bunch ängstlich. »Wie schaust du denn aus? Was hast du denn?«
»Aber das kann ja nicht sein!«, murmelte Miss Marple. »Da ist doch kein Grund … «
»Tante Jane!«
Miss Marple seufzte und sagte dann lächelnd:
»Es ist nichts, mein Kind.«
»Ist dir gerade jemand eingefallen, der den Mord verübt haben könnte?«, fragte Bunch. »Wer denn?«
»Ich weiß gar nichts«, erwiderte Miss Marple. »Ich hatte nur einen Augenblick lang so eine Idee … aber das ist schon wieder vorbei. Ich wünschte, ich wüsste es. Die Zeit ist so kurz, so entsetzlich kurz.«
»Was meinst du damit?«
»Die alte Dame oben in Schottland kann jeden Auge n blick ihre Augen für immer schließen.«
»Also du glaubst wirklich an Pip und Emma?«, fragte Bunch, sie anstarrend. »Du glaubst, die beiden seien es gewesen und sie würden es wieder versuchen?«
»Natürlich«, antwortete Miss Marple wie geistesabw e send. »Wenn sie es einmal versucht haben, werden sie es wieder versuchen. Wenn sich ein Mensch dazu entschlo s sen hat, jemanden zu ermorden, wird er von seinem Vo r haben nicht ablassen, weil es ihm das erste Mal nicht g e lungen ist, namentlich dann nicht, wenn er glaubt, ganz außer Verdacht zu sein.«
»Aber wenn es Pip und Emma wären«, sagte Bunch, »kämen hier doch nur zwei Menschen infrage … Patrick und Julia. Sie sind Geschwister, und sie sind im richtigen Alter.«
»Mein Kind, so einfach ist das nicht. Es gibt da alle möglichen Verwicklungen und Kombinationen. Da wäre Pips Frau, wenn er verheiratet ist, oder Emmas Mann. Und dann wäre da noch ihre Mutter, auch sie wäre int e ressiert, obwohl sie nicht direkt erben würde. Wenn Letty Blacklock sie dreißig Jahre lang nicht gesehen hat, würde sie sie wahrscheinlich kaum wieder erkennen. Und dann wäre da noch der Vater, der doch offensichtlich ein übler Kerl war.«
»Das schon, aber er ist doch Ausländer.«
»Von Geburt. Das ist jedoch kein Grund zu der A n nahme, dass er gebrochen Englisch spricht und mit Hä n den und Füßen redet. Ich könnte mir vorstellen, dass er sehr gut die Rolle eines anglo-indischen Colonel spielen könnte.«
»Also, das denkst du?«
»Nein, wirklich nicht, Kind. Ich denke nur, dass sehr viel Geld auf dem Spiel steht, ein Riesenvermögen. Und ich weiß leider nur zu gut, zu was für entsetzlichen Di n gen Menschen fähig sind, um an viel Geld zu kommen.«
14
I nspektor Craddock wurde auf dem kleinen Bahnhof im schottischen Hochland von einem grauhaarigen Chau f feur abgeholt, der ihn zu einem altmodischen großen Daimler geleitete. Es war ein herrlicher, so n niger Tag, Craddock genoss die drei Kilometer lange Fahrt durch die Berglandschaft sehr, und als die grauen Mauern der alten Villa vor ihm auftauchten, hatte er das Gefühl, die Zeit habe sich wohltuend zurückgedreht.
Nachdem er sich gewaschen und rasiert und ein reichl i ches Frühstück zu sich genommen hatte, erschien eine ältere Frau in Schwesterntracht, die ihn freundlich b e grüßte und sich als Schwester McClelland vorstellte.
»Mrs Goedler erwartet Sie, Mr Craddock. Sie freut sich sehr auf Ihren Besuch.«
»Ich werde mich bemühen, sie nicht aufzuregen«, ve r sprach er.
»Ich möchte Sie gleich auf das vorbereiten, was gesch e hen wird«, erklärte die
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