Ein Mund voll Glück
Limousinen kamen in ziemlich rascher Fahrt heran. Drei Luxusautos, wie man ihnen selbst in einer Stadt wie München nicht alltäglich begegnete. Kein Wunder, daß die Leute auf der Straße stehenblieben und den Traumautos nachblickten. Und dann bremste der erste der Straßenkreuzer genau unterhalb des Fensters vor dem Hauseingang, und dahinter stoppten auch die beiden anderen Wagen. Die Türen flogen auf, weiße Gestalten quollen heraus, und inmitten der Beduinen oder was sie sonst sein mochten, entdeckte Fräulein Faber den dunkelblonden Schopf des Doktors. Plötzlich strömten, wie von einem Magneten herangezogen, von allen Seiten Leute herbei, die sich das Schauspiel eines verspäteten oder verfrühten Faschingsaufzuges nicht entgehen lassen wollten. Ein halbes Dutzend Männer in weißen Burnussen, die Köpfe von Tüchern verhüllt, die durch schwarze Stirnreifen gehalten wurden, bildete um den Doktor und um einen unwahrscheinlich dicken Orientalen, der aus dem ersten Wagen halb herausgezogen und halb herausgehoben wurde, einen Ring und scheuchte die Neugierigen mit drohenden Gebärden zurück. Dann verschwand der Dicke und der Doktor mit dem Gefolge im Hause, und an jedem Auto blieb ein bewaffneter Araber als Wache zurück. Es war wirklich traumhaft. Fräulein Faber schloß das Fenster und spürte eine kleine Schwäche in den Beinen, wenn sie an die Rolle dachte, die sie alsbald spielen sollte. Trotzdem eilte sie zur Tür und hörte, in den Treppenschacht horchend, das surrende Geräusch des heraufkommenden Fahrstuhls. Dann rastete der Lift ein, die Tür ging auf, und der Doktor zwängte sich als erster heraus. Er sah Fräulein Faber im weißen Kittel vor der Praxis stehen und stutzte sekundenlang. Anscheinend hatte er sie wieder einmal völlig vergessen.
»Ach du liebe Güte, Fräulein Faber!« rief er, schlug sich vor die Stirn und grinste sie an. »Der Dicke hinter mir ist der Emir von Khoranshar. Wissen Sie zufällig, wo das liegt? Ich war in Geographie immer schwach. Und die beiden anderen Scheiche sind seine Wesire oder so was Ähnliches...« Er sah ihr verstörtes Gesicht und fügte hinzu: »Keine Sorge, die Brüder verstehen kein Wort deutsch!« Er gab dem Emir den Weg frei und deutete mit einer schwungvollen Geste auf Fräulein Faber: »My assistent, Highness...«
Fräulein Faber überlegte einen Augenblick, ob sie den Emir mit der Andeutung eines Hofknickses begrüßen müsse. Es war fraglos etwas Majestätisches in seiner Erscheinung, was den hochzeremoniellen Gruß gerechtfertigt hätte, aber dann begnügte sie sich doch lieber mit einem Neigen des Kopfes, lächelte den Emir freundlich an und sagte: »Good afternoon...«
»So«, rief der Doktor munter, »und jetzt seien Sie so nett, Fräulein Faber, und führen Sie die drei Könige aus dem Morgenland in die Praxis. Ich hole derweil die anderen Herren des Gefolges herauf.« Und er stieg wieder in den Lift und entschwand ihren Blicken.
Der Emir sah Irene Faber an, als prüfe er, ob sie sich für seinen Harem eigne. Er sagte etwas, was wie »krrrch gruckchch rrrahrum« klang und von den Herren seiner Begleitung mit ähnlich gutturalen Lauten in der Landessprache von Khoranshar beantwortet wurde. Vielleicht hieß es, die Dame sei für Haremszwecke wegen ihrer Magerkeit gänzlich ungeeignet; Fräulein Faber spürte jedenfalls, daß sich die Bemerkungen auf sie bezogen, und fühlte sich ein wenig unbehaglich, aber sie bedeutete die Herren mit Handzeichen, ihr zu folgen. In diesem Augenblick stürmten drei Männer von des Emirs Leibwache, die im Lift keinen Platz mehr gefunden hatten, keuchend die Treppe empor. Während einer von ihnen den Schutz des Emirs und seiner Wesire übernahm, drangen die beiden anderen in die Praxis ein, rissen sämtliche Türen auf und durchkämmten Wartezimmer, Ordination und Labor, als befürchteten sie, irgendwo könne sich ein Attentäter verborgen halten. Erst als sie niemand entdeckten, der ihrem Herrn gefährlich werden konnte, gaben sie ihm den Weg frei.
Fräulein Faber ging voran, und der Emir folgte ihr in den Behandlungsraum. Ihm folgten seine Würdenträger, und diesen wiederum die drei Männer der Leibwache. Fräulein Faber bot dem Emir den Stuhl an, den die Patienten des Doktors einzunehmen pflegten, wenn er ihre Personalien aufnahm, aber abgesehen davon, daß der Emir auf dem Stühlchen nur mit der Hälfte einer Gesäßhälfte Platz gefunden hätte, schüttelte er den Kopf und sah sich in der Praxis um. Er war
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