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Ein Mund voll Glück

Ein Mund voll Glück

Titel: Ein Mund voll Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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für Männer seines rückwärtigen Formats nicht berechnet. Er versuchte sich von rechts, und er versuchte sich von links hineinzuzwängen, aber wie er es auch anstellen mochte, die Armstützen waren den gewaltigen Ausmaßen seines Hinterteils im Wege. Der Doktor unterstützte den hohen Herrn in seinen redlichen Bemühungen, zu Stuhl zu kommen, aber es war völlig vergeblich, und er blickte nervös auf die Uhr. Seit der Verabfolgung der Injektion waren gut und gern zwanzig Minuten vergangen, und wenn er die Behandlung nicht bald beginnen durfte, war die Wirkung der Spritzen vorbei. Auch Fräulein Faber, die sich von dem Schrecken über die rauhen Landessitten in Khoranshar inzwischen erholt hatte, bemühte sich um den Patienten, aber ebenso fruchtlos wie der Doktor.
    Wer die Leibwächter des Emirs betrachtete, kam unweigerlich zu dem Eindruck, daß ihre Muskelkräfte bedeutend höher zu bewerten waren als ihre Intelligenz in technischen Dingen. In diesem speziellen Falle aber schienen sie doch zu begreifen, was ihrem Gebieter zum bequemen Niedersitzen im Wege stand. Zwei Mann drängten den Doktor und Fräulein Faber zur Seite, packten rechts und links die Armlehnen des Operationsstuhles und bogen die verchromten Stahlrohre auseinander, als wären sie aus Blei gegossen. Dem Doktor war bei dem Anblick zumute, als würden ihm selber die Arme ausgerenkt. Die übrigen Herren des Gefolges standen derweil um ihren Chef herum, rauchten schwarze Zigaretten, streuten die Asche auf den vor wenigen Minuten noch spiegelblanken Linoleumboden und spuckten ungeniert in der Gegend herum. »Hassan«, schrie der Doktor, »sagen Sie den Kerlen, daß sie endlich auf hören sollen, mir den Stuhl zu ruinieren!«
    »Wieviel kostet solch ein Stuhl?« fragte Hassan kaltblütig.
    »Über fünftausend Mark!« röchelte der Doktor.
    »Dann setzen Sie den Suhl dem Emir einfach auf Rechnung, Doktor! Fünftausend Mark — das ist für den Emir von Khoranshar soviel wie einmal ausspucken, pffffft.«
    »What’s the matter?« knurrte der Emir, während ihm der Doktor einige Tampone in den Mund stopfte.
    »Ihre Garde zertrümmert mir die Einrichtung, Hoheit!«
    Fräulein Faber übersetzte den Text rasch ins Englische.
    »Buy a new furniture«, knurrte der Emir, und der Doktor bedurfte keiner Sprachhilfe, um zu verstehen, daß er sich eine neue Einrichtung kaufen möge. Was er nicht erfahren hatte, war leider, auf wessen Kosten die neue Einrichtung zu beschaffen sei.
    Der arme Doktor ging an den Instrumentenschrank. Er wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen, als er die Verwüstung erblickte, die der Emir dort angerichtet hatte. Aber schließlich fand er in dem Durcheinander die passenden Gerätschaften und machte sich an die Arbeit. Die Leibwächter drängten sich um den Stuhl und beobachteten jeden seiner Handgriffe mit mißtrauischen Augen. Ihre Hände lagen griffbereit an den Dolchen, und der Doktor hatte das peinliche Gefühl, daß er von drei Seiten gleichzeitig durchbohrt würde, wenn der Emir auch nur den geringsten Schmerzenslaut hören ließ.
    »Hassan!« schrie er den Dolmetscher an.
    »Sie wünschen, Doktor?«
    »Sagen Sie dem Emir, daß er seine Leibtrabanten wegschicken soll! Ich kann nicht arbeiten, wenn ich keine Ellbogenfreiheit habe.«
    Der Emir scheuchte seine Leute mit einer wedelnden Handbewegung bis ins Wartezimmer hinein. Nur die hohen Würdenträger blieben in seiner Nähe.
    »Und ich habe es nicht gern, wenn mir ein Weib in den Rachen sieht!« gurgelte der Emir böse, und Hassan übersetzte es wortgetreu.
    »Damit sind Sie gemeint, Fräulein Faber«, stellte der Doktor fest. »Treten Sie hinter den Emir und drücken Sie seinen Kopf ins Nackenpolster. Es geht gleich los...«
    »Ich kann kein Blut sehen, Herr Doktor... «
    »Da können Sie ganz ruhig sein, es kommt keins. Diesen parodontotischen Steinbruch könnte man mit zwei Fingern ausräumen. Und ich bin ein Idiot, daß ich das nicht im Hotel besorgt habe.«
    »Und warum taten Sie es nicht?«
    »Weil ich erstens nicht ahnen konnte, daß diese Banditen mir die Praxis verwüsten würden, und weil ich zweitens dem Scheich für sein teures Geld auch etwas bieten wollte.«
    »Lassen Sie ihn zahlen, daß ihm die Augen tropfen!«
    »Ich will es versuchen«, murmelte der Doktor und setzte die Zange an. Fräulein Faber drückte den Kopf des Emirs, den ein dreifacher Stirnreif krönte, fest ins Nackenpolster. Dabei sah sie, daß der Dolmetscher Hassan jedes Wort ihres Dialogs mit dem

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