Ein Mund voll Glück
dreimal Hühnerleber«, sagte der Doktor zur Bedienung.
»Dieses Mädchen wird Sie arm fressen«, sagte Fräulein Faber, »Sie haben eine Heuschrecke zu Tisch geladen.«
»Durch eine Heuschreckenplage an den Bettelstab zu kommen, ist Schicksal, Fräulein Faber. Was mir passiert ist, ist kein Schicksalsschlag, sondern einfach Pech. Nach ein paar Wochen werden wir darüber nur noch lachen.«
»Ich kenne mich bei Ihnen nicht aus. Tun Sie nur so oder nehmen Sie die Geschichte wirklich so leicht?«
»Was erwarten Sie von mir? Soll ich mich an der Brust von Tante Hedi ausweinen? Andere Gelegenheiten stehen mir leider nicht zur Verfügung...«
Marion kicherte; ein Vorgang, der sich in ihrer Fantasie abspielte, schien sie zu erheitern. Fräulein Faber warf ihrer Schwester einen unfreundlichen Blick zu.
»Ich rede nicht von Ausweinen«, sagte sie und trommelte einen kleinen Wirbel auf die Tischplatte, »sondern von Taten! Ich finde nämlich, daß Sie die Flinte ziemlich rasch ins Korn geworfen haben.«
»So etwas Ähnliches habe ich doch heute schon einmal gehört...«, murmelte der Doktor.
Die Bedienung wedelte mit einem Lappen über den Tisch und fegte die Krümel einer Semmel zusammen, die Marion als Zwischenmahlzeit zu sich genommen hatte: »Die Leber dauert noch ein Weilchen, der Chef macht sie frisch.«
»Schon gut, Fräulein, wir haben es nicht eilig.« Er zündete sich eine Zigarette an und wandte sich wieder Fräulein Faber zu: »Aber bitte, genieren Sie sich nur nicht, mir Saures zu geben. Was hätte ich Ihrer Meinung nach denn unternehmen sollen? Und was habe ich zu tun versäumt?«
»Zum Beispiel — Sie hätten dem Emir in seinem Hotel einen Besuch machen sollen!«
»Wozu? Um mich von seinen Trabanten rausschmeißen oder mir womöglich den Bauch aufschlitzen lassen?«
»Sie hätte Sie nicht rausgeschmissen und Sie hätten Ihnen auch nichts aufgeschlitzt.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Das weiß ich eben!«
»Dann weiß ich es aber besser! Schließlich habe ich lange genug mit Herrn Steinrück vom Grand-Hotel telefoniert. Der Emir muß sich nicht wie ein Irrer, sondern wie ein ganzes Irrenhaus aufgeführt haben.«
»Ach was, das ist doch nichts als bengalisches Feuer. Das flammt hoch und brennt ebenso rasch wieder ab.«
»Das glauben Sie!«
»Das glaube ich nicht, das weiß ich!«
»Dann wissen Sie mehr als ich«, knurrte der Doktor, der ob dieser Hartnäckigkeit allmählich die Geduld zu verlieren begann. »Jetzt würde es mich nur noch interessieren, zu erfahren, woher Sie Ihre Weisheit beziehen?«
»Das will ich Ihnen gern verraten«, sagte Fräulein Faber und griff nach ihrer Handtasche, »ich komme nämlich gerade vom Emir von Khoranshar...«
»Woher kommen Sie?« schrie er sie an.
»Sie sind doch nicht etwa schwerhörig?« fragte Fräulein Faber mit sanfter Sorge. »Ich habe mir als Ihre Sprechstundenhilfe erlaubt, den Emir aufzusuchen, um ihn zu fragen, wann die Behandlung fortgesetzt werden soll.«
»Das kann doch nicht wahr sein!« stammelte der Doktor und starrte Fräulein Faber an, als erwarte er ihr Geständnis, daß sie sich mit ihm einen Scherz erlaube — einen ziemlich üblen Scherz allerdings!
»Der Emir bleibt in München«, sagte Fräulein Faber und öffnete ihre Handtasche. »Sie sollen ihn morgen vormittag im Hotel besuchen. Am liebsten wäre ihm natürlich, wenn Sie ihm die neuen Zähne gleich mitbrächten, aber das konnte ich ihm ausre-den. Die Geschichte mit dem Scheck ist ihm unangenehm. Aber damit Sie nicht denken, daß er Sie um Ihr Honorar prellen will, schickt er Ihnen dieses... « Fräulein Faber griff in die Handtasche und zog einen gut gepolsterten Briefumschlag heraus, »es ist das ganze Kleingeld, das der Bruder des Emirs, Scheich Omar, gerade bei sich trug...«
»Zeig mal her!« rief Marion und griff nach dem Umschlag, aber Fräulein Faber klopfte ihr auf die voreiligen Finger und reichte den Umschlag dem Doktor hinüber. Er sah leicht betäubt aus, und auch seine Finger schienen von einer Lähmung befallen zu sein. »Ich hab’s nicht gezählt«, sagte Fräulein Faber, »ich habe die Scheine einfach in einen alten Umschlag gestopft, den ich zufällig bei mir trug, aber soviel ich gesehen habe, scheinen es lauter ausländische Banknoten zu sein.«
Der Doktor griff endlich zu und ließ die Geldscheine auf den Tisch flattern...
»Es sind Pfundnoten — und Dollarscheine — und Schweizer Franken«, stellte Marion mit großen Augen fest.
»Wieviel
Weitere Kostenlose Bücher