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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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See.«
    »O nein!«, ächzte Dalziel.
    Sie machten kehrt, rannten die Treppe hinunter, trafen auf halber Strecke eine verdutzt dreinblickende Bonnie, drängten sich abermals an ihr vorbei und stürzten zur Haustür hinaus.
    Die Nacht war warm und fast windstill. Der Nebel über dem See war in der vergangenen Viertelstunde ein wenig höher den Garten hinaufgekrochen, und die Planken des Stegs waren kaum mehr zu sehen, eine verschwommene Linie verblasster Runen in einer Kalksteinmauer. Obwohl der chaotische Lärm auf dem Parkplatz hier noch deutlicher zu hören war, verstärkte er nur das Gefühl der Isolation, wie Verkehrslärm, den man hinter Gefängnismauern hört.
    »Andy!«, rief Bonnie ihm von der Tür nach. Doch Dalziel blieb nicht stehen.
    »Aufpassen!«, sagte er zu Pascoe, als er den Steg betrat. »Das Zeug hier ist total verfault.«
    Mit hundert Kilo als Vorhut, was habe ich da zu befürchten?, dachte Pascoe.
    Vor der kaputten und noch immer nicht reparierten Stelle, unter der er Spinx gefunden hatte, blieb Dalziel stehen. Der Entenkahn war weg.
    Pascoe wollte etwas sagen, doch Dalziel brachte ihn mit einer ungeduldigen Geste zum Schweigen und blickte, den Kopf schief gelegt, auf den See hinaus. Pascoe hatte das Bild eines Bernhardiners bei einem Rettungseinsatz in den Alpen vor sich.
    »Hören Sie was?«, fragte Dalziel.
    »Nur des Wassers Wogen wallen.«
    »Kommen Sie.«
    Sich an Pascoes Arm klammernd, kletterte der Dicke hinunter ins Ruderboot, das unter seinem Gewicht gefährlich schaukelte.
    »Sie wollen, dass ich mich da hineinsetze?«, fragte Pascoe ungläubig.
    »Jemand muss ja rudern«, antwortete Dalziel.
    »Aber wozu?«, protestierte Pascoe beim Hinuntersteigen. »Wenn Sie glauben, dass er da draußen ist, dann schicken Sie doch die örtliche Polizei zum Suchen hinaus. Ich meine, was ist denn da drüben?«
    »Amerika«, sagte Dalziel. »Rudern Sie einfach.«
    Murrend ließ Pascoe die Riemen zu Wasser und ruderte vom Ufer weg, während Dalziel mit der Pinne in der Hand im Heck saß. Haus und Garten waren schon nach wenigen Ruderschlägen nicht mehr zu sehen, und mit jedem weiteren verstärkte sich das Gefühl, einsam einer endlosen Weite von Wasser ausgeliefert zu sein.
    »Ich bitte um Verzeihung, Sir, aber was tun wir hier eigentlich?«, fragte Pascoe, allerdings mehr, um seine eigene Stimme zu hören, als in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten. Doch zu seiner Überraschung lachte Dalziel, ein kurzes Bellen, das ihn einmal mehr an sein Bild vom Bernhardiner erinnerte.
    »Wir sind einem sehr gefährlichen Mann auf der Spur.«
    »Gefährlich?«, fragte Pascoe einigermaßen beunruhigt. »Der Mann vom Parkplatz?«
    »Sie würden sich wundern. Schauen Sie, dort!«
    Dalziel riss die Pinne scharf herum, und das Boot wendete so abrupt, wie dies ein flaches, leckes Ruderboot vermochte. Pascoe sah sich aufgeregt um, als er spürte, wie sein rechtes Ruder gegen etwas schlug. Er wäre nicht allzu erstaunt gewesen, einen schwertschwingenden Arm aus dem Wasser fahren zu sehen. Stattdessen sah er die Stange eines Stocherkahns, deren Spitze trunken in den Himmel ragte und deren anderes Ende vermutlich im Schlamm des Seegrunds steckte.
    »Ich habe Ihnen ja gesagt, er ist gefährlich«, sagte Dalziel. »Horchen Sie mal!«
    Sie horchten. Nach einer Weile konnte Pascoe aus den vielen leisen Wassergeräuschen ein unregelmäßiges Klatschen hören, als schlüge ein unsichtbares Geschöpf des Wassers mit seinen Flossen auf den See ein.
    Dalziel nickte gebieterisch, und erneut legte Pascoe sich in die Riemen. An solche Leibesübungen war er nicht gewöhnt, und seine Arme und Schultern fingen schon an zu schmerzen.
    »Wer ist da?«, rief plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit. »Ist da jemand?«
    »Aye«, antwortete Dalziel.
    »Sind Sie das, Mr. Dalziel? Könnten Sie mich abschleppen? Ich habe leider die Stange verloren.«
    Pascoe blickte über die Schulter und sah die Umrisse eines Kahns. Im Heck stemmte sich eine schlaksige Gestalt hoch, Wasser tropfte ihr von den Händen. Der Trottel muss damit gepaddelt haben, seit er die Stange verloren hat, dachte Pascoe. Von diesem Gefühl der Überlegenheit blieb nicht mehr viel übrig, als er einen doppelten Krebs fing und hintenüber von der Bank kippte. Aus dieser würdelosen Position hörte er eine zweite Stimme.
    »Nicht näher, bitte, Andy. Reichen Sie uns einfach Ihre Ruder herüber, und dann sind wir schon weg.«
    Pascoe kämpfte sich hoch. Der Kahn hatte inzwischen

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