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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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diese Anweisungen zu halten, unaufhaltsam zu der Frage geführt: Wozu eigentlich? Was war an diesem Leben so wunderbar, dass er es sich erhalten wollte? Derartige metaphysische Grübeleien waren seinem Wesen völlig fremd, und so wie er sie jetzt formulierte, waren sie alles andere als präzise und rational. Es war nur das Gefühl der Leere in seiner Mitte, der Widerwille, aus der sicheren Schwärze des Schlafes zu erwachen, die Vorstellung, das Leben sei ein Haar, das auf dreckigem Badewasser dahintreibe, unmerklich Stück für Stück absinke, bis es in einem letzten wirbelnden, gurgelnden Sog endgültig verschwinde.
    Also hatte er sich Urlaub genommen, obwohl er dafür nie besonders viel übriggehabt hatte. Doch immer noch besser als die Glückspillen, die, wie er wusste, viele Leute nahmen, um die Waffenruhe mit dem Leben einhalten zu können. Er war keiner von den Irren, die ständig solche Pillen schlucken mussten.
Ihn
würde ein Urlaub heilen. Ende der Debatte.
    Er zwang sich, über diesen seltsamen Haushalt nachzudenken, in den er da gespült worden war. Die Leute interessierten ihn. Vom beruflichen Standpunkt aus konnte es ein Fehler sein, sich mit ihnen einzulassen, vom persönlichen wäre es vielleicht ein Fehler, es nicht zu tun. Der vergangene Abend hatte kein wie auch immer geartetes Angebot von Bonnie gebracht. Höchstwahrscheinlich hatte er völlig zu Unrecht mit einem gerechnet, dennoch war es eine kleine Enttäuschung. Herrgott noch mal, was hatte er erwartet? Dass sich nächtens die Badezimmertür auftun und eine Schattengestalt in durchsichtigem Nachtgewand an sein Bett schleichen würde? Kinderphantasien. Nein, sagte er sich, wenn es etwas gab, das ihn für die Fieldings interessant machte, dann das, was Mavis angedeutet hatte, er als potenzieller Investor. Und sie würden nicht ihr bestes Stück in die Waagschale werfen, solange sie nicht wussten, was er zu bieten hatte.
    Grundsätzlich ist an dieser Einstellung nichts auszusetzen, sagte er sich, als er aufstand. Er hatte was übrig für Leute, die nicht gleich mit der Tür ins Haus fielen. Und auch für Leute, die Geld ernst nahmen. Das war’s ja auch, worum es in seinem Beruf vor allem ging. Dieser Gedanke entlockte ihm auf dem Weg ins Bad ein Lächeln, und plötzlich war ihm klar, dass zumindest bei dieser Gelegenheit seine selbstverordnete Therapie wirkte.
    Er wusch und rasierte sich und versuchte, eingedenk der schlafenden Frau im Nebenzimmer, so wenig Lärm wie möglich zu machen. Er überlegte, ob die Tür wohl versperrt war, sah sich jedoch außerstande, sich davon zu überzeugen.
    Während er sich anzog, sah er auf die Uhr. Es war halb sieben, später, als er gedacht hatte. Der düstere, bedeckte Himmel war die Erklärung für seine falsche Schätzung. Der Sonnenaufgang hatte an diesem Morgen im Geheimen stattgefunden.
    Gäste sollten im Bett bleiben, bis sie sicher sein konnten, dass die Bewohner des Hauses auf den Beinen waren. Das war eine Maxime, die er schon vor langer Zeit gelernt hatte, doch hätte er alle Benimmregeln, die ihm in seinem Leben beigebracht worden waren, befolgt, wäre er noch heute Constable, wenn auch mit guten Manieren. Auf jeden Fall war halb sieben schon spät genug.
    Beim Hinuntergehen entdeckte er, dass er nicht der Einzige war, der sich regte. Seine Nase sagte ihm, dass in der Küche jemand Kaffee kochte. Uniff, nahm er an. Der Typ wirkte ziemlich ruhelos.
    Es war Mrs. Greave.
    »Morgen«, sagte er.
    Sie trug wieder ihren grünen Morgenmantel und war offensichtlich zu Bett gegangen, ohne besondere Vorkehrungen für ihr Haar zu treffen. Die Hochfrisur hing jetzt schief, was ihrem Kopf ein merkwürdig gekrümmtes Aussehen verlieh, so als sähe man sie in einem Vexierspiegel.
    Sie antwortete nicht. Dalziel nahm sich einen Becher (wieder den von Bertie, wie er vermutete) und schenkte sich Kaffee aus der Kanne ein, die sie auf ein Tablett gestellt hatte.
    »Sie sind aber eine Frühaufsteherin«, sagte er nach dem ersten siedend heißen Schluck. »Und es ist ein langer Weg von Ihrem Zimmer. Wozu gibt’s denn diese funkelnagelneue Küche dort drüben?«
    »Dort werden Hähnchen gebraten und große Fleischstücke, hundert Portionen gleichzeitig«, antwortete sie. »Wollen Sie Toast?«
    »Danke«, sagte er, erstaunt über das plötzliche Tauwetter.
    Ihr Morgenmantel war nur locker gebunden, und als sie sich vorbeugte, um ihm Butter auf den Toast zu streichen, sah er, dass sie nichts darunter trug.
    Er nahm noch

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