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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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stand. Dalziels geschulter Blick hatte die Umstehenden im Nu eingeordnet. Da waren natürlich einmal die Familie und die übrigen Hausbewohner. Außerdem noch zwei Männer mittleren Alters und athletischer Bauweise in gut geschnittenen grauen Anzügen und mit derart identischen ernsten Mienen, als seien sie buchstäblich aus dem gleichen Holz geschnitzt und unterschiedliche Merkmale einfach eliminiert worden. Sie hätten alles Mögliche sein können – Bandenführer, Astronauten, Präsidentenberater oder mormonische PR -Leute –, doch eines waren sie auf jeden Fall: unverkennbar Amerikaner. Neben ihnen standen, die Symmetrie des Bildes wahrend, zwei ebenso unverkennbare Engländer (es hat irgendwas mit den Augen zu tun, sagte sich Dalziel), die sich, wahrscheinlich ohne Vorsatz, unglücklicherweise für zwei identische wollweiße Kordsamtanzüge entschieden hatten. Sie sehen aus, als gehören sie zu einer Spaghettiwerbung, dachte Dalziel. Einer war schon ziemlich kahl, trug das Haar aber im Nacken so lang, dass es aussah, als ob das Gewicht seiner Mähne seine Stirn einfach über den Scheitelpunkt des Kopfes gezogen habe. Er befand sich in Begleitung eines glotzäugigen Mädchens, beladen mit den Hilfsmitteln und Gerätschaften des fotografischen Gewerbes und angetan mit einer zu ihrem ausgesuchten Make-up passenden grünen Tunika. Der andere Spaghettimann war vermutlich der Radioreporter, denn niemand sonst hätte so völlig teilnahmslos die Kommentare und Fragen eines kleinen Negerleins mit Hornbrille ignorieren können, das sich anscheinend auf gut Glück an einem großen Tonbandgerät zu schaffen machte.
    »Trinken wir doch alle einen Schluck«, sagte Bonnie in dem keinen Widerspruch duldenden Ton, der ihre Spezialität war. Niemand wagte sich, wie Dalziel zu seiner Befriedigung feststellte, an Herries gut gefüllten Getränkeschrank, doch Tillotson verschwand und kam gleich darauf mit einem vollbeladenen Tablett zurück, das extra für so einen Notfall bestückt worden sein musste. Dalziel blieb nur kurz stehen, um zwei große Gläser Whisky zu konfiszieren, dann gesellte er sich zu dem Alten.
    »Sie haben schon was?«, fragte er mit einem Blick auf den fast leeren Cognacschwenker, der auf dem Fensterbrett stand. »Dann runter damit, und probieren Sie das hier.«
    »Sie sind ja immer noch da«, bemerkte Fielding mit höhnischem Erstaunen. Aber er nahm das Glas.
    »Aye«, sagte Dalziel. »Mir machen Partys erst so richtig Spaß, wenn mein Abgang längst überfällig ist.«
    »Es tut mir leid. Ich hatte kein Recht, unhöflich zu sein«, sagte Fielding, mit einem Mal zerknirscht.
    »Herrgott noch mal, Schluss mit den Entschuldigungen«, wehrte Dalziel ab. »Wenn man einmal damit anfängt, kann man gar nicht mehr aufhören. Ich habe auch kein Recht, Ihnen zu sagen, dass Sie dieses Scheißgeld annehmen sollen, und werde es trotzdem tun. Warum wollen Sie’s denn nicht?«
    »Es geht nicht ums Geld. Hier geht es ums Prinzip«, protestierte Fielding und erhob seine Stimme, damit die anderen ihn hören konnten. »Alles, worüber diese Leute reden können, ist
Westminster Bridge,
das ich 1938 veröffentlicht habe. Sie scheinen in dem Glauben zu leben, dass ich seither nichts mehr geschrieben habe.«
    »Nicht so laut«, sagte Dalziel barsch. »Das Einzige, worüber Sie sich jetzt Gedanken machen müssen, ist, Schecks zu schreiben. Kommen Sie mir nicht mit diesem Es-geht-ums-Prinzip-Scheiß. Was ist verkehrt an Geld?«
    Hereward funkelte ihn an. Die Entrüstung in seiner Miene näherte sich gefährlich schlaganfallfördernder Wut. Dalziel bekam das Gefühl, dass dieser Ausflug in die hohe Kunst der Diplomatie ebenso erfolglos wie wesensfremd für ihn war. Aber da verblasste das Gesicht des Alten bereits zu einer weniger fiebrigen Schattierung, und er sagte in gedämpftem Plauderton: »Geld ist nicht alles.«
    Dalziel spürte, dass diese banale Feststellung nicht die Fortsetzung der Debatte um den verletzten Stolz war.
    »Tausend Pfund sind zweihundert Flaschen guter Cognac«, argumentierte er. »Da kann man ganz schön was wegschlucken.«
    »Und braucht ganz schön viel Zeit dafür«, sinnierte Fielding. »Es entspricht also Ihrer wohlüberlegten Meinung, Dalziel, dass mir diese Zeit noch bleibt?«
    Das war eine merkwürdige Frage, doch Dalziel ließ sich davon nicht beirren.
    »Garantieren kann ich’s Ihnen nicht«, sagte er. »Aber einen Versuch ist es wert.«
    »Mr. Fielding, Sir«, sagte eine leise, unmodulierte,

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