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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Ermittlertrieb packte, betrachtete er offene Türen als Einladung und geschlossene als Affront und spähte in alles hinein, was nicht abgesperrt war. Er fand nichts Interessantes, außer ein paar Räumen, die aussahen, als habe ein großes, kurzsichtiges Eichhörnchen sie zu seinem Lager erkoren. Sie waren vollgestopft mit Gerümpel, alten Möbeln, Brettern, sogar Baumästen, und behängt mit mottenzerfressenen Vorhängen und alten Kleidern, deren Annahme selbst der hilfsbedürftigste Wohltätigkeitsbasar verweigert hätte.
    Der Bankettsaal bot noch weniger Stimulation. Er sah sich das Stück Boden genauer an, auf dem seiner Erinnerung nach Conrad Fielding gelegen hatte und sich seinen Brustkorb von einer elektrischen Bohrmaschine hatte perforieren lassen. Ein Stück knorpeliges Schweinefleisch war ihm zwischen den Zähnen stecken geblieben, er kratzte es sich mit einem Fingernagel heraus und rülpste. Der Boden war offenkundig gründlich geschrubbt worden. Von wem?, fragte er sich und deponierte seine Flasche und die Überreste seiner Pastete auf einem hölzernen Schragen. Dann zerrte er eine Leiter aus dem Dunkel unter der Empore. Er war ein vorsichtiger Mann, und als er sie an die Wand gelehnt hatte, schob er den Schragen zwecks zusätzlicher Standfestigkeit gegen die unteren Sprossen. Dann begann er seinen Aufstieg. Als er die Empore erreicht hatte, wünschte er, er hätte den Boden nie verlassen, so fern schien er ihm jetzt, und die Sprossen fühlten sich unter seiner Masse alles andere als sicher an. Er umfasste die Balustrade, welche die Empore umgab, und diese zusätzliche Stütze verlieh ihm gleich ein Gefühl größerer Sicherheit.
    Die nackte Steinmauer verriet wenig. Es gab eine Reihe von Kratzspuren darauf, von denen einige auch von einer zur Seite kippenden Leiter verursacht worden sein konnten.
    In ungefähr fünf Metern Höhe hörte der Stein auf und wurde durch einen etwa einen Meter breiten Streifen weißen Rohputzes ersetzt, der bis zum Dachansatz reichte.
    Hier waren Bohrspuren zu sehen, und Dalziel fragte sich, ob Conrad wirklich vorgehabt hatte, hier noch einen Balken anzubringen, denn das hätte die Symmetrie der bereits montierten gestört.
    Er kletterte noch ein Stück höher und reckte seinen Hals, um zu sehen, wie der nächste Balken fixiert war. Er war fast einen Meter weit weg, und Dalziel musste sich gefährlich weit zurücklehnen, um halbwegs etwas erkennen zu können. Diese Haltung verursachte ihm plötzlich ein so starkes Schwindelgefühl, dass er sich vorbeugen und an der Leiter festklammern musste, die ihm mit einem Mal heftig von einer Seite zur andern zu schwanken schien. Er hielt sich noch einen Moment fest, dann kletterte er hinunter. Auf halber Höhe sah er sich wieder in der Lage, nach unten zu blicken, und hielt abrupt inne, als er eine Gestalt da stehen sah, die die Leiter packte und zu ihm hinaufspähte. Es war Papworth.
    Die letzten paar Meter rutschte Dalziel förmlich hinunter.
    »Sie müssen schon aufpassen«, bemerkte Papworth. »Ich dachte, Sie würden jeden Moment runterfallen.«
    Dalziel antwortete nicht sofort, sondern hielt sich an seiner Bierflasche fest und leerte den restlichen Inhalt in einem Zug.
    »Zum Glück waren Sie ja da«, sagte er.
    Papworth zuckte die Achseln, eine Geste, die alles und nichts bedeuten konnte.
    »Ich habe Sie gehört«, sagte er. »Was haben Sie da eigentlich gemacht?«
    Es war eine direkte Frage, und sie war direkt gestellt. Das hat aber auch seine Berechtigung, dachte Dalziel großmütig, schließlich kommt sie von einem Angestellten des Hauses, und ich bin ziemlich fremd hier.
    »Krankhafte Neugier«, antwortete er. »Ich wollte nur sehen, wo es passiert ist. War er gut als Heimwerker?«
    »Fielding?«, fragte Papworth zurück. »Ich glaub schon.«
    »Er hat Sie also nicht gebeten, ihm hier behilflich zu sein?«
    »Nein«, sagte Papworth und wandte sich ab. »Dafür werd ich nicht bezahlt.«
    Er ging zur Tür.
    »Wofür
werden
Sie denn bezahlt, Mr. Papworth?«, fragte Dalziel seinen Rücken.
    Der Angesprochene blieb stehen und sagte über die Schulter: »Instandhaltung von Haus und Garten. Von dem hier nicht.«
    »Aha. Und Mrs. Greave, Sie kümmert sich ums Kochen und Saubermachen, richtig?«
    »Richtig.«
    »Also hat eigentlich keiner von Ihnen beiden einen Grund herzukommen«, fuhr Dalziel fort. »Merkwürdig, jetzt laufen Sie mir schon zum zweiten Mal hier über den Weg.«
    »Falsch«, sagte Papworth und drehte sich um.

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