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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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war seine Stimme eine halbe Oktave höher und sein Redefluss um etwa fünfzig Worte pro Minute beschleunigt.
    »Abschließend möchte ich sagen«, sagte er abschließend, »dass für mich persönlich die Begegnung mit Ihnen, Hereward Fieldung, eine der erfreulichsten war. Ich bitte Sie nun im Namen der Gumbelow-Stiftung Amerika diesen Preis für Ihre Verdienste um die Literatur entgegenzunehmen. Er wird begleitet von der Bewunderung, Ehrfurcht und aufrichtigen Hochachtung von Liebhabern des Schönen auf der ganzen Welt.«
    Er hielt seine linke Hand hoch. Bergmann zog seine rechte aus der Innentasche seiner Jacke und klatschte Flower einen großen weißen Umschlag auf die Hand, der ihn wie eine Waffe auf Fielding richtete, während Nikkis Kamera dahintickte wie ein Geigerzähler in einer Uranmine.
    »Bleiben Sie so, bleiben Sie so, gut, gut, super, super«, sagte sie. Flower hielt die Pose und sah mit eingefrorenem Lächeln Fielding an, der, wie es den Zuschauern langsam dämmerte, die ausgestreckte Hand ansah, als hielte sie eine tote Ratte. Sogar Nikki begriff allmählich, dass hier etwas nicht so lief, wie es sollte, und ihr Klicken wurde sporadischer, bis es schließlich in der Stille erstarb, die einen Augenblick lang durch nichts unterbrochen wurde.
    »O Herrie«, hauchte Bonnie.
    Der Alte begann zu sprechen. Er schlug einen leichten, wenn auch nachdenklichen Ton an.
    »Ich finde es interessant, dass Sie Ihren Preis nur in den Jahren verleihen, in denen außergewöhnliche Werke entstehen, insbesondere deshalb, weil ich jetzt schon seit über fünf Jahren nichts mehr veröffentlicht habe. Trotzdem, besser spät als nie, wie es so schön heißt. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich mich dieser Meinung anschließen kann. Ich schreibe nämlich seit über fünfzig Jahren, und ein halbes Jahrhundert ist schon ziemlich spät. Natürlich bin ich für Ihr Angebot sehr dankbar – es bleibt mir wahrscheinlich gar nichts anderes übrig. Aber fünfzig Jahre …!«
    Seufzend schüttelte er den Kopf.
    »Hätten Sie ihn mir gegeben, als ich zwanzig war, hätte ich mir vielleicht ein tolles Essen geleistet, einen Schlapphut wie Roy Campbell und eine dieser süßen kleinen Nutten, die im ›Café Royal‹ rumhockten.
    Hätten Sie ihn mir gegeben, als ich dreißig war, hätte ich meinen Kindern vielleicht ein paar neue Kleider gekauft und meiner Frau ein sonnigeres Gemüt.
    Hätten Sie ihn mir gegeben, als ich vierzig oder fünfzig war, hätte ich sicher auch einen Verwendungszweck gefunden. Einen bequemeren Wagen, zum Beispiel. Oder eine Kreuzfahrt um die griechischen Inseln, um die Wiege der Zivilisation zu besichtigen.
    Aber jetzt bin ich alt, und ich bin krank. Ich habe kaum Appetit, nicht auf Essen und nicht auf Frauen. Meine Kinder sind erwachsen und ihre eigenen Wege gegangen. Oder gestorben. Ich mag nicht mehr Auto fahren. Und die Zivilisation geht dort unter, wo sie begonnen hat.
    Und so könnte man also sagen, dass Sie auf nicht untypisch amerikanische Weise verdammt spät gekommen sind.«
    Er schwieg. Niemand sprach. Der Umschlag blieb in Flowers ausgestreckter Hand. Der Ausdruck im Gesicht des Amerikaners verlor nichts von seiner Hochachtung und Bewunderung, und die Mienen der anderen reichten von Belustigung über Missfallen und Gleichgültigkeit bis hin zu Bonnies offensichtlicher Besorgnis.
    »Bravo.«
    Bertie hatte das Wort mit übertriebener Ironie ausgesprochen und damit das Schweigen gebrochen.
    »Klappe, Bertie«, sagte Mavis warnend.
    Bergmann zuckte die Achseln, ein gewaltiges mitteleuropäisches Zucken der Fassungslosigkeit, das seine stromlinienförmige New Yorker Fassade zum Einsturz brachte, wie ein Erdbeben vielleicht einen Wolkenkratzer zerstörte. Flower entspannte sich wie auf Stichwort auf seinem Stuhl und ließ die Hand mit dem Umschlag auf den Tisch fallen. Da schoss der Arm des Alten hervor und riss ihn ihm grob aus der Hand.
    »Und dennoch«, sagte er à la Churchill, »so spät sie auch kommen mag, ich werde Ihre Gabe nicht zurückweisen. Denn ich entsinne mich, nie einen Hut wie Roy Campbell besessen zu haben. Das wird sich jetzt ändern. Und ich werde ihn mir etwas schief aufsetzen, wenn ich durchs Dorf gehe, in der eitlen Hoffnung, dass dessen langweilige Einwohner mich als einen Mann meiden werden, der aus dem Gleichgewicht geraten ist, und in der noch eitleren Hoffnung, dass dieser Ruf meine treulosen Freunde und undankbaren Nachkommen irgendwie peinigen wird. Bonnie, mein Glas ist

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