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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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ausgestreckt. Die ganze Komposition war hässlich und plump, eine Studie der Niederlage. Als Dalziel näher trat und sie den Kopf hob, schienen die Poren in ihrem Gesicht sich geöffnet zu haben, die wunderbare Edwardianische Kraft, die er früher bewundert hatte, war durch das Eingeständnis von Alter und Erschöpfung zu einer aufgedunsenen, bedeutungslosen Kontur verlaufen. Dalziel erkannte, dass sie ihm altersmäßig näher war, als er vermutet hätte.
    Und gleichzeitig erkannte er, dass sie bewusst zuließ, dass er sie so sah. Es war noch genug Kraft vorhanden, mit der sie zur Party hätte zurückkehren und in Wallung bringen können, was immer unter einem Kordsamtanzug unter der Bezeichnung Blut kreiste.
    »Ich glaube nicht, dass diese Würste heute noch heiß werden«, sagte er.
    »Nein, das glaube ich auch nicht.«
    Es war eigentlich der Beginn einer Erklärung gewesen, doch er ließ es dabei bewenden, dass sie es offenbar nur als eine achtlos hingeworfene Bemerkung aufgefasst hatte.
    »Legen Sie sich doch hin«, sagte er.
    »Das wäre schön«, sagte sie. »Legen Sie sich zu mir?«
    »Aye«, sagte er.
     
    Sie lagen ungefähr eine Stunde völlig bekleidet nebeneinander. Bonnie döste, während Dalziel die Chrysanthemen auf ihrer William-Morris-Tapete zählte und sich fragte, ob sich das Ganze zu einer dieser seltsamen platonischen Beziehungen entwickeln würde, an die er so gar nicht glaubte. Schließlich schüttelte er sie ein wenig und machte sich daran, die Bestätigung für seinen Unglauben zu suchen.
    Bonnie verhielt sich keineswegs ablehnend, ihr halb schlafender Körper und Verstand waren weich und nachgiebig. Doch Dalziel war kein einfühlsamer Galan, kein Doktor der sinnlichen Künste. Das einzige Vorspiel zur Penetration, mit dem er sich jemals aufgehalten hatte, waren vier, fünf Gläser bitteres Ale, und jetzt machte die brutale Direktheit seiner Annäherung sie hellwach.
    »Wie wär’s mit einem kleinen Anlauf, um ein bisschen in Fahrt zu kommen?«, fragte sie.
    »Was ist denn los?«, fragte er zurück.
    »Also, als Erstes, zieh dich mal aus. Ganz.«
    Missmutig zog er sich auf seiner Seite des Bettes aus, während Bonnie auf ihrer dasselbe tat.
    »Und jetzt fangen wir mit dem Anfang an«, teilte Bonnie ihm mit.
    Fünf Minuten später zwickte sie ihn kräftig in die schwabbelige linke Pobacke und sagte: »Um Himmels willen, sei nicht so ungeduldig, hier wollen zwei auf ihre Kosten kommen.«
    »Dann müssen wir uns halt abwechseln«, keuchte Dalziel.
    Bonnie schüttelte sich vor Lachen, und die Bewegung machte jede Chance auf vornehme Zurückhaltung vonseiten Dalziels zunichte. Als er fertig war und feststellte, dass in ihrem Lachen nichts Spöttisches lag, fiel er ein.
    »Gelacht hab ich dabei eigentlich noch nie«, sagte er schließlich.
    »Warum nicht? Ist doch zum Kugeln, das Ganze«, meinte Bonnie. »Und wie war das mit dem Abwechseln?«
     
    Der Abend war schon weit fortgeschritten, als sie aufstanden, und im Haus war es ganz still.
    »Vielleicht sind alle gegangen«, sagte Dalziel.
    »Wahrscheinlich sind sie einfach zu besoffen, um noch reden zu können«, vermutete Bonnie. »Oder sie sind in der Küche und verdrücken Würstchen.«
    Dalziel hatte ein schlechtes Gewissen. Nach der Woge der Gefühlsverwirrung, die ihn in den letzten Stunden überschwemmt hatte, war es beinahe eine Erleichterung, eine einfache Reaktion zu isolieren und zu identifizieren. Es war eher ein konditionierter Reflex als ein Gefühl: Polizisten waren dazu erzogen, die Ermittlung eines Verbrechens vor die Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse zu stellen, und er hatte seine Erziehung verleugnet.
    »Ich bezweifle, dass sie sich die heiß gemacht haben«, sagte er.
    »Warum?«, fragte sie und zerrte mit einem Kamm an ihren dicken braunen Haaren, die ihr offen in überraschender Üppigkeit über die Schulter fielen.
    »Komm mit runter, dann zeig ich’s dir«, sagte er grimmig.
    Verdutzt beendete Bonnie ihre Instandsetzung und ließ sich noch einmal in die Restaurantküche führen. Auf dem Weg dahin begegneten sie niemandem, und der Korb mit den Würsten stand noch da, wo sie ihn stehen gelassen hatten.
    »Es ist ein bisschen wie auf der
Mary Celeste
«, sagte Bonnie.
    »Aber Geheimnis gibt’s hier keins«, knurrte Dalziel. »Die sind sicher alle sturzbetrunken.«
    Er holte eine Münze aus seiner Hosentasche und schraubte flink die Bedienplatte von einem der Mikrowellenherde.
    »Schau mal da rein«, forderte er

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