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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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jedoch wies keine Spuren eines überstürzten oder dauerhaften Abschieds auf, und so konnte man wohl annehmen, dass er zurückkehren würde.
    »Sie dürfen Bonnie keine Vorwürfe machen«, sagte Fielding plötzlich. Er saß in demselben Sessel, in dem er den Gumbelow-Preis entgegengenommen hatte, und Dalziel fragte sich, ob er ihn überhaupt seither verlassen hatte.
    Abgesehen von den überall herumstehenden Gläsern und Flaschen war der einzige Hinweis auf das nachmittägliche Gelage der schlafende Tonbändiger Arkwright, den Kopf noch immer auf seinem Gerät ruhend und die Arme schützend darum geschlungen. Von Zeit zu Zeit drang ein blubberndes und ziemlich musikalisches Schnarchen – Stimmlage Bariton – aus seinem Mund.
    Ob die anderen fort oder ebenfalls noch bewusstlos vor Ort waren, wusste Dalziel nicht.
    »Vorwürfe weswegen?«, knurrte er.
    »Dass sie Ihre Taschen durchsucht hat«, sagte Fielding. »Das ist schließlich nicht das Dümmste, was man tun kann, wenn man Sachen zum Trocknen aufhängt.«
    »Und was hat sie in meiner Brieftasche gesucht?«, fragte Dalziel. »Geld zum Bügeln? Und warum haben Sie mir alle miteinander nicht gesagt, dass Sie wissen, wer ich bin?«
    Fielding zuckte die Achseln.
    »Warum haben Sie es uns nicht gesagt?«
    »Warum sollte ich?«
    »Ja, warum eigentlich? Aber es schafft nicht unbedingt eine Atmosphäre des Vertrauens, jemanden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen im Haus zu haben.«
    Dalziel schenkte sich mit einer Heftigkeit ein, die bei jedem anderen ein Überschwappen zur Folge gehabt hätte.
    »Ich hab gar nix vorgespiegelt.«
    »Also, kommen Sie«, sagte Fielding gütig. »Heute Morgen kamen Bertie und Lou Bonnie mit dieser Geschichte, dass Sie vielleicht Geld in das Restaurant stecken würden. Sie waren sehr verärgert, als sie ihnen sagte, wer Sie sind.«
    »Ach. Sie wussten es noch gar nicht?«, fragte Dalziel nachdenklich.
    »Nein.«
    »Und Sie?«
    »Bonnie hat es auch mir erst heute Morgen gesagt. Sie ist eine sehr diskrete Frau.«
    Dalziel überlegte, was das bedeutete. Es war tröstlich zu wissen, dass es keine Generalverschwörung gegeben hatte, bei der alle zugesehen hatten, wie der große, fette Polizist sich zum Affen gemacht hatte. Und welche asexuellen Beweggründe Bonnie auch veranlasst haben mochten, mit ihm ins Bett zu gehen, es tat gut zu wissen, dass die Hoffnung auf mehr Geld fürs Geschäft dabei keine Rolle gespielt hatte. Trotzdem blieben noch ein paar beunruhigende Möglichkeiten übrig. Ein Kripobeamter war daran gewöhnt, dass sexuelle Angebote dazu benutzt wurden, ihn entweder zu kaufen oder zu kompromittieren. So etwas kam zwar nicht jede Nacht oder jede Woche oder jeden Monat vor, aber es kam vor. Dalziel wollte das zwar nicht als Wahrheit akzeptieren, doch sein Selbstbild argumentierte dagegen. Er hatte sich nie als Casanova gesehen, aber gänzlich chancenlos war er auch nie gewesen. Und noch vor ein paar Minuten hätte er sich damit zufriedengegeben, dass ein dicker, bulliger, zur Glatze neigender Detective Superintendent mittleren Alters doch das eine oder andere Frauenherz höher schlagen lassen könnte. Jetzt war die Finsternis in ihm so groß, dass nur der hellste Sonnenschein davon nicht verdüstert wurde, und seine zurechtgestutzte Meinung von sich selbst ließ es kaum möglich erscheinen, dass er bei jemandem Liebe auf den ersten Blick oder auch nur hemmungslose Leidenschaft entflammen konnte.
    Und damit blieb eine Frage übrig. Warum? Was wollte man sich von ihm erkaufen oder, vielleicht noch einfacher, wovon wollte man ihn ablenken?
    Er beugte sich vor und sah den Alten prüfend an.
    »Haben Sie Ihren Umschlag in sicherer Verwahrung?«, fragte er.
    Hereward zwinkerte und klopfte sich auf den Bauch, was, so vermutete Dalziel, entweder bedeutete, dass er ihn sich unter die Wäsche gesteckt oder verspeist hatte.
    »Warum haben Sie sich so angestellt, bevor Sie ihn annahmen?«, fragte Dalziel weiter.
    Fielding sah ihn listig an.
    »Stolz«, sagte er. »Literarischer Stolz.«
    »Verarschen kann ich mich selbst«, sagte Dalziel gutmütig. »Sie würden nie zulassen, dass Stolz einen Keil zwischen Sie und Ihren Cognac treibt.«
    »Na gut«, sagte Fielding. »Dann eben Ehrgeiz.«
    »Ehrgeiz?«
    »Ja. Dieses Jahr stehe ich auf gleicher Stufe mit Browning. In drei weiteren stehe ich neben Wordsworth. Wenn ich noch drei durchhalte, habe ich Tennyson überholt.«
    Dalziel lachte.
    »Die haben ihr Leben genossen, die Saukerle, was? Sie

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