Ein neuer Anfang?
Dinge zu vereinfachen. Und Adam hatte immerhin mehrere Wochenenden hier verbracht.
„Mit dir?“
Sie nickte. „Ja, mit mir. Obwohl wir nicht richtig zusammenleben.“
Adam fragte sich, warum nicht. Nach der Zeit im Koma empfand er alles viel intensiver und sah das Leben mit ganz anderen Augen. Kiloran war sicher die schönste Frau, der er je begegnet war.
„Du hast ein Apartment in London.“ Sie beobachtete ihn aufmerksam, damit ihr kein Anzeichen dafür entging, dass er sich an etwas erinnerte. „In Kensington.“
Dieser Hinweis schien seinem Gedächtnis nicht auf die Sprünge zu helfen. Adam nahm die Information so gleichgültig zur Kenntnis wie alles, was sie ihm erzählte.
Kiloran merkte ihrerseits, dass eine simple Tatsache viele Deutungsmöglichkeiten in sich barg. Wenn sie erzählte, dass sie gemeinsame Wochenenden verbrachten, konnte es auf eine enge Beziehung schließen lassen. Dabei war nichts der Wahrheit ferner als das. Aber Adam nahm solche Feinheiten im Moment gar nicht wahr.
„Komm jetzt, Adam“, sagte Kiloran sanft. Sie hätte so gern ein Kosewort wie „Darling“ oder „Schatz“ benutzt, doch das hatte sie nur getan, als er noch im Koma gelegen hatte und sie so verzweifelt gewesen war. Dies war nicht der richtige Moment, um damit fortzufahren. Ihre Aufgabe war jetzt, Adam dabei zu helfen, das Gedächtnis wiederzuerlangen, indem sie die Dinge möglichst genau so darstellte, wie sie vor dem Unfall gewesen waren. Außerdem hoffte der Arzt, dass es sich nur um eine vorübergehende Amnesie handelte. Was würde dann der alte Adam denken, wenn sie in der Zwischenzeit ganz offen und liebevoll mit ihm umgegangen war!
„Du bist sehr erschöpft“, flüsterte Kiloran, als sie seine Anspannung und die tiefen Schatten unter seinen Augen bemerkte. Sie legte ihm den Arm um die Taille, um ihn zu stützen.
Automatisch versuchte Adam, ihren Arm wegzuschieben. „Lass das, ich komme allein klar.“
Darauf ging sie nicht ein, denn sie wusste, dass er noch nicht wieder kräftig genug war, um ihr zu widerstehen. Also verstärkte sie ihren Griff, und er stützte sich tatsächlich etwas auf sie, als sie ins Haus gingen.
Kiloran hatte Miriam gebeten, Tee, Kekse und Sandwiches in die Bibliothek zu stellen, wo ein gemütliches Feuer im Kamin flackerte. Damit hoffte sie, seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Denn nach ihren gemeinsamen Ausritten hatten Adam und sie manchmal dort vor dem Kamin gesessen, Tee getrunken und dazu Kekse gegessen. Forschend sah sie ihn an.
Adam blickte sich um und nahm die gemütliche Umgebung in sich auf. Er fühlte sich, als hätte jemand sein Gehirn in Watte gepackt. Irritiert schüttelte er den Kopf und sank dann in einen der tiefen Sessel vor dem Kamin.
„Wie möchtest du den Tee, Adam?“ Kiloran hob die schwere silberne Teekanne an.
„Nur mit Zitrone, bitte!“ antwortete er, ohne zu zögern.
Sie lächelte.
„Was ist?“
„So trinkst du den Tee immer.“
„Bei allen lebenswichtigen Fragen funktioniert mein Gedächtnis also, stimmt’s?“ fragte er trocken.
Wieder lächelte sie. „Zumindest den Humor hast du nicht verloren, Adam.“
„Heißt das, ich habe Humor?“
„Manchmal.“ Sie hätte ihn gern geneckt, aber die Warnungen des Arztes klangen ihr in den Ohren. „Passen Sie auf, dass er sich nicht überanstrengt!“ hatte er ihr geraten. Vielleicht machten Neckereien ja müde? „Nimm dir doch ein Sandwich.“
„Nein, danke. Ich habe keinen Hunger.“
Kiloran nickte. Selbstverständlich würde sie Adam nicht drängen. Doch er war so blass, ganz anders als vor dem Unfall, und sie hätte ihn nur allzu gern überredet, wenigstens etwas zu essen.
„Okay, wie du willst.“
Adam trank den Tee. Er fand es sehr gemütlich am Kamin. Wenn sich nur sein Kopf nicht angefühlt hätte, als hätte ihn jemand in eine Schraubzwinge geklemmt! Dabei schienen ihm alle gewohnten Gedanken und Assoziationen abhanden gekommen zu sein, die ihm normalerweise ein Gefühl dafür gaben, wer er war.
Woher wusste er eigentlich, wie er normalerweise war?
Adam stellte die Tasse ab und sah Kiloran an. Allein ihr Anblick trug wesentlich zu seiner Erholung bei. Sie trug ein weiches blaues Wollkleid, und das helle Haar fiel ihr über die Schultern. Die Schuhe hatte sie abgestreift, und jetzt saß sie ihm gegenüber, die langen, schlanken Beine ausgestreckt. Er mochte erst seit zwei Tagen aus dem Koma erwacht sein, aber das hieß nicht, dass seine Sinne ihren Dienst
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