Ein neuer Anfang?
aufgegeben hatten. Anders als sonst hatte er zwar wenig Appetit, doch das wilde Pochen seines Herzens und das Erwachen seines Verlangens überzeugten ihn davon, dass er im Wesentlichen immer noch sehr vital war.
„Kiloran?“
Ihr war aufgefallen, dass Adam sie beobachtete. So hatte er sie früher nie betrachtet, außer wenn sie sich gerade geliebt hatten. Gewöhnlich hatte er es allerdings nicht so offen getan. Seine Augen wirkten sehr dunkel, und unwillkürlich dachte Kiloran daran, wie lange es her war, seit sie das letzte Mal miteinander geschlafen hatten.
„Ja, Adam?“ antwortete sie heiser.
Einen Moment lang konnte Adam sich nicht daran erinnern, was er Kiloran hatte fragen wollen. Doch dann verdrängte er seine sinnlichen Wünsche, und prompt fiel es ihm wieder ein. „Wie würdest du mich beschreiben, Kiloran? Was für ein Mensch bin ich normalerweise?“
Sie hatte seinem Mienenspiel abgelesen, welche unterschiedlichen Gefühle ihn bewegten. Früher hatte sie ihm nie ansehen können, was in ihm vorging. Diesmal dagegen hatte er erst unsicher gewirkt, dann betroffen und schließlich wieder unnachgiebig und fest entschlossen wie gewöhnlich.
„Einsfünfundachtzig, schwarzes Haar …“
„Unsinn, ich will nicht hören, wie ich aussehe! Verflixt, Kiloran, ich nehme an, dass mein Gesicht normalerweise nicht voller Schrammen, blauer Flecken und stark geschwollen ist! Ich meine, wie du mich als Person beschreiben würdest. Als Mann. Als meine Geliebte musst du mich doch besser kennen als jeder andere!“
Wenn ich ihm erzähle, dass ihn niemand wirklich kennt, weil er immer etwas von sich verbirgt, denkt er bestimmt, ich will ihn kritisieren, dachte Kiloran. Sie konnte ihn auch schlecht als einen Menschen beschreiben, der seine Gefühle mit anderen teilte, nur weil sie sich einen solchen Partner gewünscht hätte. Aber sie durfte ihn nicht manipulieren oder ihn ihren Wünschen und Fantasien anpassen.
„Was du für ein Mensch bist?“ wiederholte sie nachdenklich. „Hm. Du arbeitest sehr viel. Du bist gewissenhaft, diszipliniert und zielstrebig. Dabei sehr erfolgreich, möglicherweise einer der fünf besten Unternehmensberater der Welt. Die Menschen respektieren dich …“
„Das hört sich an, als wäre ich eine Maschine“, bemerkte Adam bitter.
„Oh, keine Sorge, Adam. Eine Maschine bist du ganz sicher nicht.“ Kiloran atmete tief durch, denn sie fand es schwierig, solche Dinge in einem derart einseitigen Gespräch auszusprechen. Noch dazu dem Mann gegenüber, der zwar ihr Liebhaber war, sich aber nicht an sie erinnerte. „Du bist ein guter Liebhaber.“ Sie schluckte. „Der beste, den ich je hatte.“
Er fand, dass der Beschreibung etwas Wesentliches fehlte. Allerdings war er zu erschöpft und verwirrt, um es genau benennen zu können.
Kiloran erhob sich beunruhigt. „Adam, du hast dich verausgabt. Du solltest dich ein bisschen ausruhen!“
„Ich bin doch kein Invalide!“
„Ehrlich gesagt, bist du im Moment genau das!“ Sie sah ihn streng an. „Wenn du schnell wieder gesund werden willst, tust du am besten, was ich dir sage. Der Arzt hat mir aufgetragen, dir das auszurichten.“
„Und wenn ich mich weigere?“
„Dann stelle ich eine Krankenschwester ein, die dich versorgt. Jemanden wie Schwester Sandy.“
Adam erinnerte sich nur zu gut an die befehlsgewohnte Schwester mit der herrschsüchtigen Stimme. Bei ihr würde er nichts zu lachen haben! Forschend betrachtete er Kiloran. Er fand es sehr reizvoll, dass ein so überirdisch schönes Wesen ihm Befehle gab wie eine Lehrerin. Aber etwas stimmte daran nicht. Die Schleier, die sein Erinnerungsvermögen trübten, lüfteten sich ein wenig.
„Ich bin nicht daran gewöhnt, dass du mir sagst, wo es langgeht, stimmt’s?“
„Stimmt. Weder ich noch irgendjemand anders.“
„Bin ich ein Tyrann, Kiloran?“
„Ich würde mich niemals mit einem Tyrannen zusammentun“, antwortete Kiloran trocken. „Ganz egal, wie fantastisch er aussehen mag.“
„Dann findest du, dass ich fantastisch aussehe?“
Sie merkte plötzlich, dass sie Adam gerade zum ersten Mal gesagt hatte, was sie für ihn empfand. „Na ja, nicht allzu schlecht, wenn du nicht gerade lauter blaue Flecken und Beulen am Kopf hast.“
Er lachte. „Bin ich ganz bestimmt kein Tyrann?“
Kiloran tat, als würde sie ernsthaft darüber nachdenken. „Auf einer Skala von eins bis zehn kämst du auf bescheidene drei.“ Aber er wollte anscheinend die ganze Wahrheit wissen.
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