Ein orientalisches Maerchen
auf Gerard, der sie mit einem unergründlichen Ausdruck ansah, und dann schüttelte sie den Kopf.
„Einige behaupten, dass Eva in der biblischen Geschichte …“, seine dunklen Augen blitzten, während er ihr ein Glas reichte, „… Adam mit einem Granatapfel zum Bösen verführte.“
Von wegen Waffenstillstand!, schoss es ihr durch den Kopf. Jetzt kommt er dir mit einer Charmeoffensive.
„Aber glücklicherweise bist du nicht Eva, und ich bin nicht Adam“, sagte er leise, schenkte ihr formvollendet ein und setzte ein Lächeln auf, das ihr durch und durch ging.
Ich werde ihn nicht küssen.
„Trotzdem kann ich wohl der Versuchung nicht widerstehen.“ Sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt.
Du wirst ihn doch küssen.
Ganz leicht öffnete sie ihre Lippen, sah ein seltsames Flackern in seinen Augen, als er sie an sich zog und sie sich ihm entgegenbog. Nicht den Willen aufbrachte, sich von ihm zu lösen. Einfach den Augenblick genoss und seinen Kuss mit Leidenschaft erwiderte.
Und dann war wieder er es, der sich mit einem heiseren Aufstöhnen auf seinen Platz zurückzog. Jeder Muskel seines Körpers wirkte angespannt. „ Mon Di e u, ich hätte mich nicht dazu hinreißen lassen dürfen“, presste er hervor.
„Aber … ich … ich meine …“
„Bitte. Wir dürfen jetzt nicht den Kopf verlieren. Solange du dich nicht erinnern kannst, dir nicht im Klaren bist, was dein früheres Leben und deine Zukunft mit … diesem David betrifft …“, er atmete scharf ein und räusperte sich, „… ist das, was wir hier zusammen erleben, nicht echt. Jetzt fühlst du dich vielleicht körperlich zu mir hingezogen – aber sobald du dich wieder erinnern kannst, wirst du mich in einem ganz anderen Licht sehen.“
Kit schluckte. Sie fühlte sich so elend und schwach. Warum, zum Teufel, hatte sie ihn schon wieder geküsst? Aus Liebe bestimmt nicht. Warum dann? Hatte ihre verzweifelte Situation ihr jetzt auch noch den Verstand vernebelt?
Aber es hatte sich doch so richtig angefühlt. So weich und zärtlich.
„Gerard“, sagte sie leise, „als wir uns eben geküsst haben, da habe ich nicht …“
Sie streckte die Hand nach seinem Arm aus und zog sie wieder zurück. Seine Miene wirkte auf einmal so verschlossen, so unnahbar.
Noch ein Kuss. Wenn er sie noch einmal küsste, dann …
Sie wollte es ausprobieren. Wagte es. Benetzte zaghaft mit ihrer Zungenspitze ihre Oberlippe und blickte zu ihm auf.
„ Mon Dieu“, raunte er und atmete scharf ein. „Weißt du eigentlich, was du da tust, Catwoman?“ Heiser stöhnend hielt er sich die Hände vor die Augen. „Hör auf“, stieß er hervor. „Ich bin ein Mann und kein Heiliger.“
Und dann stand er plötzlich auf, entfernte sich ein paar Schritte, drehte sich um und stützte sich schwer atmend mit beiden Händen auf einen Felsen. „ Mon Dieu, in meinem ganzen Leben habe ich noch keine Engländerin getroffen, die mit solcher Unschuld auf Circe macht wie du.“
Einen Augenblick später hatte er sich wieder in der Gewalt. Sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich, und als er jetzt zu ihr sprach und auf seine Uhr zeigte, klang seine Stimme ruhig und entschlossen.
„Es ist schon spät. Wir sollten aufbrechen und nach Marrakesch zurückfahren. Du kannst Marokko doch nicht verlassen, ohne seinen schönsten Marktplatz, vielleicht den schönsten auf der ganzen Welt, den Djemaa el Fna gesehen zu haben.“
Als sie Marrakesch erreichten, war die Dunkelheit bereits hereingebrochen, und das sanfte Licht flackernder Gaslaternen erleuchtete die zinnenbewehrten Stadtmauern der Medina.
„Da wären wir wieder“, sagte Gerard zuerst leise, um es dann etwas lauter und leicht amüsiert zu wiederholen. „Wir sind da.“
Kit zuckte erschrocken zusammen. Zuerst wusste sie nicht, wo sie war. Unterwegs musste sie eingeschlafen sein. Nur mühsam gelang es ihr, in die Gegenwart zurückzufinden. Aber dann fiel ihr alles siedend heiß wieder ein. Himmel, wie hatte sie sich ihm nur so an den Hals werfen können? Er hatte ihr doch mehr als deutlich gemacht, warum er sich nicht hinreißen lassen wollte. Sie schluckte, spürte seinen Blick auf sich ruhen.
Aber weitere Gelegenheiten, darüber nachzudenken, ließ ihr Gerard nicht, der jetzt ausstieg, um den Wagen herumlief und ihr die Tür öffnete. „Na, komm schon. Oder soll ich ohne dich auf den Markt gehen?“, fragte er lächelnd, und sie kletterte schnell aus dem Ferrari.
Ein wenig mulmig war ihr noch zumute,
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