Ein orientalisches Maerchen
erleichtert, dass sie dabei für sich war.
Gerard war bereits oben im ersten Stock verschwunden, als Kit das Arbeitszimmer erreichte, sich an den stilvollen Sekretär aus Zedernholz setzte und mit leicht zitternden Fingern die Nummer wählte, die Gerard für sie notiert hatte.
„Hallo? Hier ist Emma“, meldete sich schon nach wenigen Sekunden eine Frauenstimme. Sie klang fröhlich und Kit auch sehr vertraut, aber sie konnte sie niemandem zuordnen.
„Emma?“ Kit holte tief Luft und räusperte sich. „Ich bin es, Samantha“, fügte sie unbehaglich hinzu.
„ Samantha?“, echote die freundliche Stimme ungläubig. „Seit wann nennst du dich denn so?“
„Ich … weiß es nicht, Emma. Ich meine, ich kann mich immer noch nicht erinnern. Wie … wie habe ich mich denn sonst genannt?“
„ Kit. Wir sagen alle Kit zu dir. Den Namen Samantha konntest du nie ausstehen.“
Ein paar Sekunden schwiegen beide.
Dann meldete sich Emma wieder: „Kit, es gibt einige Dinge, die ich dir sagen sollte. Kannst du …“ Sie wollte weitersprechen, aber jemand anders ging offenbar dazwischen und nahm ihr den Hörer ab.
„Kit? Hier ist David. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich mir für Sorgen gemacht habe. Seit geschlagenen vierundzwanzig Stunden sitze ich hier neben dem Telefon und warte auf deinen Anruf.“
Der Mann klang wehleidig und sprach mit vorwurfsvollem Unterton – bekannt kam er Kit aber nicht vor. Sie wusste gar nicht, was sie sagen sollte. Das Einzige, was sie herausbrachte, war: „Wie geht es dir, David?“
„Wie es mir geht?“ Jetzt klang er richtig beleidigt. „Was für eine Frage! Hast du überhaupt eine Ahnung, wie ich mich fühle? Du haust einfach ab in den Urlaub, ohne ein Wort, keiner weiß, wo du bist … Und dann fragst du mich, wie es mir geht?“
Kit hörte im Hintergrund eine Frauenstimme tuscheln.
Dann meldete sich wieder David. „Na ja, schon gut“, murmelte er kleinlaut. Offenbar hatte Emma ihn zum Einlenken bewegen können. „Du kannst dich ja immer noch nicht erinnern, oder?“
„Hm.“
„Mensch, da hast du echt ganz schön Pech gehabt, Kleine. Was ist denn eigentlich passiert?“
Kit hatte gerade begonnen, in kurzen Zügen die näheren Umstände des Überfalls zu schildern, als David eine Zwischenfrage stellte, mit der sie insgeheim schon gerechnet hatte.
„Und du bist immer noch in dem Haus von diesem …“
„Gerard Dumont, ja. Er war sehr freundlich zu mir.“
„Ach ja?“ Er schwieg vielsagend. „Und wie alt ist dieser edle Samariter, wenn ich fragen darf?“
„Ist das jetzt wirklich so wichtig?“ Kit runzelte die Stirn. Bisher hatte David sie nicht ein einziges Mal gefragt, ob es ihr wieder gut ging! „Können wir das nicht besprechen, wenn ich das nächste Mal anrufe?“
„Das nächste Mal?“ Sein wehleidiger Ton löste plötzlich etwas in ihr aus. Aber nur für einen kurzen Moment, dann war das Gefühl wieder weg. „Emma und ich … nun, wir dachten, du würdest jetzt zurückkommen – es besteht doch kein Grund mehr, dortzubleiben, oder? Wir haben den Behörden schon mitgeteilt, dass wir dir den Rückflug bezahlen, wenn deine Handtasche nicht gefunden wird …“
„Das ist nicht nötig, David. Meine Tasche wurde zwar noch nicht gefunden. Aber ich hatte zum Glück meinen Pass, mein Ticket und noch einige andere Dokumente im Hotelsafe deponiert. Und wie die Polizei Mr. Dumont mitteilte, ist sonst so weit auch alles in Ordnung.“
„Hm. Und wann kommst du dann nach Hause?“
„Bald, ich meine, ich muss gucken, ich weiß es noch nicht so genau.“
„Ich vermisse dich, Kit.“ David machte jetzt auf einsamen Strohwitwer. „Du fehlst mir so sehr, Liebling. Vermisst du mich denn gar nicht?“ Im Hintergrund tuschelte wieder Emma. „Na ja, schon gut, tut mir leid. Du hast im Moment wohl andere Sorgen. Aber ich bin immerhin dein Verlobter, Kit. Du erinnerst dich?“
„Dunkel.“ Ihr dröhnte allmählich der Kopf. Das lief ja noch schlimmer als befürchtet.
„Dann sag, dass du mich liebst.“ Sie schwieg. „Bitte, Kit, auch wenn du dich nicht erinnern kannst, sag es mir zuliebe.“
„Das kann ich nicht, David. Vielleicht, wenn ich dich sehe.“
„Na schön.“ Da war er wieder, dieser leicht säuerliche Unterton. Kit spürte, wie Übelkeit in ihr aufstieg. Und dann war das Gefühl auch schon wieder vorbei. Aber sie wusste jetzt, was sie fragen wollte.
„Hatten wir eigentlich Verlobungsringe, David?“ Ihre Frage löste eine solch
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