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Ein orientalisches Maerchen

Ein orientalisches Maerchen

Titel: Ein orientalisches Maerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Brooks
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während sie ihm durch die engen Gassen folgte, aus denen die Hitze mit dem Sonnenuntergang verschwunden war. Doch als sie den Platz erreichten, zu dem aus allen Himmelsrichtungen die Menschen strömten, berberische Bauern, Touristen und einheimische Flaneure, da erschien es ihr wie ein Eintritt in eine andere Welt, die sie in diesem Moment all ihre Sorgen vergessen ließ.
    Berauscht von den vielen Eindrücken, sog sie die warme Luft ein, in der es nach Rosenwasser und allerlei Kräutern, Salben und Wässerchen duftete. Aus unzähligen Garküchen wehte der Dunst von frisch Gebratenem. Und es wurde lauter und lauter. In einer Ecke erklangen afrikanische Trommeln, aus einer anderen schallten Flötentöne, und glänzende Kobras schlängelten sich auf bunten Teppichen in die Höhe. Musikanten mit bunt angemalten Fiedeln und Schellentrommeln zogen vorbei, gefolgt von Zauberern, Schwert- und Feuerschluckern. Fliegende Händler verkauften Dolche, Wasserpfeifen, Korantexte und vieles mehr, nicht zuletzt farbenfrohe Porträts der königlichen Familie. Auf Holzkohle wurden kleine Fische gegrillt, gleich daneben scharten sich die Menschen andächtig um Geschichtenerzähler.
    Immer voller wurde es, fast schien der Platz zu bersten unter der Menge der Besucher, und Kit war bemüht, an Gerards Seite zu bleiben, der ihr, als er ihr Bestreben bemerkte, beschützend den Arm um ihre Taille legte.
    Die Berührung elektrisierte sie und ließ ihren Atem schneller werden. Sie schluckte, hoffte, dass Gerard ihren Aufruhr nicht bemerkte. Zaghaft hob sie den Kopf und blickte zu ihm auf. Als ihre Blicke sich trafen, umspielte ein versonnenes Lächeln seine Lippen. Und sie fragte sich, ob es ihm genauso ging. Konnte es sein, dass er dasselbe spürte wie sie?
    Als sie die Nordseite des Platzes erreichten und hinüberschlenderten in die Souks , die Handwerkerviertel der Altstadt, rief im Minarett der Koutoubia-Moschee bereits der Muezzin zum Gebet. Und die Handwerker beeilten sich, ihre Arbeiten fertigzustellen und dem Ruf zu folgen . Stille kehrte ein in die Gassen, und der Marktplatz leerte sich. Gerard führte Kit zurück zum Wagen, und sie traten die Rückfahrt an.
    Eine Weile saßen sie beide nur schweigend da, während er den Ferrari auf die nun schon vertraute Straße nach Del Mahari lenkte.
    Wehmütig ließ Kit den Blick über die letzten Dächer der Stadt schweifen, die das flackernde Licht der Laternen in ein warmes Licht tauchte. Wenn diese ganze Situation nicht so verhext gewesen wäre, sie hätte sich in diesem Augenblick überglücklich gefühlt. Besonders die letzten Stunden waren so schön gewesen. Nur unwillig zwang sie ihre Gedanken zurück in die Gegenwart. Ihr Blick fiel auf Gerards Handy, das auf dem Armaturenbrett lag, und sie runzelte die Stirn. Das bevorstehende Gespräch mit ihrem Verlobten, diesem David, bereitete ihr Kopfzerbrechen. Ob sie gemeinsam mit ihm auch schon einmal so einen schönen Tag verbracht hatte? Und konnte sie ihm überhaupt von diesem Ausflug erzählen?
    Kit seufzte. Ja, noch konnte sie es. Im Grunde war sie Gerard sogar dafür zu Dank verpflichtet, denn er hatte sie davon abgehalten, einen Fehltritt zu begehen, den sie jetzt bereut hätte. Ihre Vergangenheit hatte sie zwar vergessen. Aber ihre Zukunft, die lag noch vor ihr. Sie musste nur noch einmal ganz von vorn anfangen – mit diesem Verlobten, an den sie sich immer noch nicht erinnern konnte.
    Und sie musste an das anknüpfen, was sie sich heute Morgen vorgenommen hatte: Die Erinnerungen und all ihre Gefühle für Gerard ebenso aus ihrem Gedächtnis zu verbannen wie die an ihr früheres Leben.
    Als sie kurze Zeit später Del Mahari erreichten, stieg Kit wortlos aus und eilte neben Gerard die Stufen zur Eingangstür hinauf.
    „Willst du dich noch kurz auf deinem Zimmer ausruhen, oder möchtest du gleich deinen David anrufen?“ Gerard musterte sie mit zusammengekniffenen Augen.
    „Bitte, sprich doch nicht immer von meinem David.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Das klingt ja so, als würde er mir gehören. Und um auf deine Frage zu antworten – ja, ich würde lieber gleich telefonieren.“
    „Gut, das Telefon steht in meinem Arbeitszimmer gleich vorne rechts. Und dann lasse ich dich erst mal in Ruhe.“ Er trat durch die Tür, blieb aber noch einmal stehen. „Du kommst doch allein zurecht, oder?“
    „Ja, natürlich“, antwortete sie hastig, ohne stehen zu bleiben. Sie wollte diesen Anruf jetzt endlich hinter sich bringen, und sie war

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