Ein Ort für die Ewigkeit
sein. Mit ernstem Gesicht kam er gleich zur Sache. »Sie waren schon einmal verheiratet, Mrs. Hawkin?« Die Verteidigung mochte seinetwegen ihre Beziehung zu dem Mann auf der Anklagebank verwischen, er selbst würde sie aber wie eine Waffe gegen sie benutzen.
Ruth runzelte die Stirn. »Ich nenne mich nicht mehr Mrs. Hawkin«, sagte sie kalt, aber ohne Trotz.
Highsmiths Augenbrauen hoben sich, und er wandte das Gesicht den Geschworenen zu. »Aber das ist doch Ihr rechtlicher Status, nicht wahr? Sie sind die Frau von Philip Hawkin?«
»Dem Namen nach, ja«, antwortete Ruth. »Aber ich werde nicht gern daran erinnert und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie so freundlich wären, mich Mrs. Carter zu nennen.«
Highsmith nickte. »Ich danke Ihnen, daß Sie Ihre Position so klar dargelegt haben, Mrs.
Carter
«, sagte er. »Vielleicht würden Sie jetzt so gut sein, meine Frage zu beantworten? Sie waren schon einmal verheiratet, bevor Sie schworen, Mr. Hawkin zu lieben, zu ehren und ihm zu gehorchen?«
»Ich wurde Witwe, als Alison sechs Jahre alt war.«
»Sie werden also wissen, was ich meine, wenn ich von einem erfüllten Eheleben spreche?«
Ruth warf ihm einen angriffslustigen Blick zu. »Ich bin nicht dumm. Und ich bin auf einer Farm aufgewachsen.«
»Beantworten Sie die Frage, bitte.« Seine Stimme war messerscharf.
»Ja, ich weiß, was Sie meinen.«
»Und führten Sie ein erfülltes Eheleben mit Ihrem ersten Gatten?«
»Ja.«
»Dann heirateten Sie Philip Hawkin. Und Sie hatten ein erfülltes Eheleben mit Mr. Hawkin?«
Ruth sah ihm direkt ins Gesicht, und eine tiefe Röte erschien auf ihren Wangen. »Er hat es gemacht, aber nicht so oft, wie ich es gewöhnt war«, sagte sie mit einem kleinen angeekelten Schauder.
»Sie haben also nichts Abnormales an den Wünschen Ihres Mannes bemerkt?«
»Wie ich schon sagte, er schien im Vergleich zu meinem ersten Mann nicht so oft zu wollen.«
»Der natürlich viel jünger war als Mr. Hawkin. Und haben Sie ihn je in einer verfänglichen Situation mit Alison gesehen?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Er war beeindruckt. Sie behauptete sich viel besser, als er erwartet hatte. Die meisten Frauen ihrer sozialen Schicht waren so eingeschüchtert von seiner charmanten, dominanten Persönlichkeit, daß sie einknickten und ihm fast sofort das lieferten, was er hören wollte. Er schüttelte den Kopf und lächelte herablassend. »Natürlich wissen Sie das, Mrs. Carter. Hat er sie spätabends allein in ihrem Zimmer besucht?«
»Nein, nicht daß ich so etwas je erfahren hätte.«
»Ging er ins Bad, wenn sie drin war?«
»Natürlich nicht.«
»Hat er sie manchmal auf seinem Schoß sitzen lassen?«
»Nein, dazu war sie zu groß.«
»Kurz gesagt, Mrs. Carter, Sie haben nie etwas gesehen oder gehört, das Sie im mindesten mißtrauisch machte in bezug auf die Beziehung Ihres Mannes zu Ihrer Tochter.« Es war so eindeutig eine Feststellung statt einer Frage, daß Ruth nicht einmal zu überlegen schien, ob sie auf die implizierte Bedeutung eingehen sollte. Highsmith schaute auf seine Unterlagen, sah dann auf und neigte den Kopf zur Seite.
»Also, jetzt zur Schußwaffe. Sie haben dem Gericht gesagt, Ihr Mann hatte einen Revolver, den er in einem Kasten in seinem Arbeitszimmer aufbewahrte. Haben Sie irgend jemand anderem von diesem Revolver erzählt? Jemandem von Ihrer Familie, Ihren Freunden?«
»Er sagte, ich sollte den Mund halten, und das habe ich getan.«
»Wir haben also allein Ihre Aussage, daß der Revolver überhaupt jemals da war.« Ruth machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber er preschte weiter. »Und natürlich waren auch Sie es, die der Polizei die Waffe gab, Sie hatten somit genügend Gelegenheit, sich eventuelle Merkmale an diesem sonst unidentifizierbaren Revolver zu merken. Es ist also nur Ihre Aussage, die eine Verbindung zwischen Ihrem Mann und der Waffe hergestellt hat, nicht wahr?«
»Ich habe meine Tochter nicht vergewaltigt, Mister. Und ich habe sie auch nicht erschossen«, sagte Ruth langsam. »Also habe ich keinen Grund, zu lügen.«
Highsmith hielt inne. Sein Gesichtsausdruck wechselte von grimmigem Ernst zu Anteilnahme. »Aber Sie wollen jemanden, dem Sie die Schuld geben können, nicht wahr, Mrs. Carter? Am allermeisten möchten Sie glauben, daß Sie wissen, was mit Ihrer Tochter geschehen ist, und Sie wollen jemandem die Schuld daran geben. Deshalb folgen Sie so bereitwillig dem Verlauf des Falls, wie die Polizei ihn ausgeheckt hat.
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