Ein Ort für die Ewigkeit
Anschein gelassener Sicherheit, die ihm fast immer im Leben weitergeholfen hatte. »George ist mein Schwager.« Die symbolische Wahrheit dieser Worte ließ ihn eine gewisse Befriedigung empfinden.
Die Schwester nickte. »Sein Sohn und seine Schwiegertochter sind gerade etwas essen gegangen, jetzt ist nur seine Frau bei ihm. Sie können einfach reingehen.« Sie machte ihm die Tür auf. »Das dritte Bett«, fügte sie hinzu.
Tommy ging langsam durch den Raum. Er blieb ein paar Meter entfernt von der Ansammlung der Apparate stehen, die seinen alten Freund am Leben erhielten. Anne saß mit gebeugtem Kopf und mit dem Rücken zu ihm da und hielt mit einer Hand die von George. Mit der anderen strich sie ihm über den Arm, automatisch auf die Infusionsnadel achtend, die in einer Vene steckte. Georges Haut war blaß mit einem leicht feuchten Glanz. Seine Lippen sahen bläulich aus, und unterhalb der geschlossenen Augen lagen dunkle Schatten. Unter dem dünnen Laken schien sein Körper trotz der breiten Schultern und der klar sich abhebenden Muskeln merkwürdig zerbrechlich. Als er ihn so ohne Lebenskraft sah, fühlte Tommy, wie der Gedanke an seine eigene Sterblichkeit wie ein kalter Atemhauch seine Haut streifte.
Er trat näher und legte eine Hand auf Annes Schulter. Sie schaute auf, ihre Augen blickten müde und verzagt. Einen Moment schien sie verwirrt, dann traf sie der Schock, als sie ihn erkannte. »Tommy?« stieß sie ungläubig hervor.
»Catherine hat mir gesagt, was geschehen ist«, erklärte er. »Ich wollte kommen.«
Anne nickte, als sei das, was er gesagt hatte, ganz vernünftig. »Natürlich.«
Tommy zog einen Stuhl ans Bett und setzte sich neben sie. Sie streckte ihm die Hand zum Händedruck hin, die über Georges Arm gestrichen hatte. »Wie geht’s ihm?« fragte Tommy.
»Sie sagen, er hält sich gut, was immer das bedeutet«, erwiderte sie müde. »Ich verstehe aber nicht, warum er immer noch bewußtlos ist. Ich dachte, Herzinfarkte gehen vorbei und sind dann zu Ende, entweder man überlebt sie oder … Aber er ist jetzt schon fast zwei Tage so, und sie sagen nicht, wann er wieder zu sich kommen könnte.«
»Ich nehme an, so heilt der Körper sich selbst«, sagte Tommy. »Wenn er bei Bewußtsein wäre, müßte man ihn, so wie ich George kenne, ans Bett binden, um ihn zum Ausruhen zu zwingen, damit er sich richtig erholt.«
Ein zaghaftes Lächeln huschte über Annes Lippen. »Du hast wahrscheinlich recht, Tommy.« Sie saßen ein paar Minuten schweigend da und beobachteten, wie Georges Brust sich hob und senkte. Schließlich sagte Anne: »Ich bin froh, daß du gekommen bist.«
»Es tut mir nur leid, daß es erst soweit kommen mußte, damit ich die Fahrt hierher gemacht habe.« Tommy tätschelte Annes Hand. »Wie steht’s mit dir, Anne? Wie geht’s?«
»Ich habe Angst, Tommy. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das Leben ohne ihn wäre.« Sie sah ihren Mann an, und die Verzweiflung ließ sie in sich zusammensinken.
»Wann hast du das letzte Mal geschlafen? Oder gegessen?«
Anne schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht schlafen. Ich habe mich gestern abend hingelegt. Sie haben hier ein Zimmer für Verwandte. Aber ich konnte nicht einschlafen. Ich lasse ihn nicht gern allein. Ich will hiersein, wenn er aufwacht. Er wird Angst haben, er wird nicht wissen, wo er ist. Ich muß hiersein. Paul hat angeboten, mich abzulösen, aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Er ist sowieso schon zu aufgeregt. Er macht sich Vorwürfe, und ich habe Angst, was er zu George sagen könnte, wenn er aufwacht und sie allein sind. Ich will nicht, daß George wieder anfängt, sich aufzuregen.«
»Aber ich bin doch jetzt hier, Anne. Ich könnte eine Weile bei George bleiben, bis du wenigstens eine Tasse Tee getrunken und etwas gegessen hast. Du siehst aus, als fällst du gleich um.«
Sie wandte sich ihm zu und sah ihn eigenartig an. »Und was wird er denken, wenn du hier sitzt wie ein Gespenst?« sagte sie mit einer Spur ihres alten Humors.
»Na ja, wenigstens wird es ihn von seinem Zustand ablenken«, erwiderte Tommy lächelnd. »Du brauchst eine Pause, Anne. Geh und hol dir eine Tasse Tee. Und geh ein bißchen an die frische Luft.«
Anne senkte den Kopf. »Vielleicht hast du recht. Aber ins Freie geh ich nicht. Ich ruhe mich zehn Minuten im Angehörigenzimmer aus. Aber du mußt mit ihm reden. Sie sagen, es soll helfen. Und wenn er sich auch nur ein bißchen bewegt, ruf die Schwester. Und laß mich holen.«
»Geh jetzt«,
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