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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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nicht aufgefunden ist, wird die Suche morgen fortgesetzt.
    Don Smart warf die Frühausgabe des
Chronicle
zur Seite. Wenigstens hatten sie seine Taktik der Fragestellung nicht geklaut. Das war immer das Risiko, das man einging, wenn man bei einer Pressekonferenz etwas versuchte, das ein wenig vom Üblichen abwich. Von jetzt ab würde er sein möglichstes tun, sich von der Meute abzusetzen und seine eigenen Geschichten auszugraben. Er hatte das instinktive Gefühl, daß George Bennett tolles Material hergeben könnte, und er war fest entschlossen, derjenige zu sein, der die besten Storys aus dem gutaussehenden jungen Detective Inspector herausquetschen würde.
    Er spürte, daß der Mann so zäh und ausdauernd wie eine Bulldogge war. Es war ausgeschlossen, daß George Bennett Alison Carter aufgeben würde. Smart wußte aus Erfahrung, daß Alison Carters Verschwinden für die meisten anderen Polizisten nur ein Job wie jeder andere wäre. Sicher hatten sie Mitgefühl mit der Familie. Und er hätte wetten können, daß alle, die selbst Väter waren, jeden Abend ihre Töchter extra fest in den Arm nahmen, nachdem sie draußen im Moor nach Alison gesucht hatten.
    Aber er spürte, daß es bei George anders war. Der fühlte sich persönlich zu dieser Aufgabe berufen. Der Rest der Welt mochte Alison Carter aufgeben, aber George hätte nicht leidenschaftlicher für ihre Sache eintreten können, wenn sie seine eigene Tochter gewesen wäre. Smart konnte sich vorstellen, wie unerträglich ein Versagen für diesen Mann sein müßte.
    Und für ihn, Smart, war dies ein Geschenk des Himmels. In seiner Stellung beim Redaktionsbüro Nord der
Daily News
arbeitete er zum ersten Mal für eine große, überregionale Zeitung und hatte nur auf eine Story gewartet, mit der er es bis in ein Zentralbüro an der Fleet Street in London schaffen würde. Er hatte für die
Daily News
schon die Berichterstattung über Pauline Reades und John Kilbrides Fall gemacht und war fest entschlossen, George Bennett oder ein Mitglied seines Teams zu überzeugen, daß man sie mit Alison Carters Verschwinden in Verbindung bringen mußte. Es würde ein toller Aufmacher für eine ganze Seite werden.
    Was immer geschah, Scardale eignete sich jedenfalls großartig als Hintergrund für eine dramatische, rätselhafte Geschichte. In einer abgeschlossenen kleinen Gemeinde wie hier würde das Leben jedes einzelnen unter die Lupe genommen werden. Plötzlich würden alle möglichen Geheimnisse ans Tageslicht kommen, und das versprach garantiert kein schöner Anblick zu werden. Und Don Smart würde immer dabeisein.
     
    In der Versammlungshalle der Methodisten warf auch George Bennett die Abendzeitung zur Seite. Er bezweifelte nicht, daß am Morgen ein wenig angenehmer Bericht auf den Seiten der sensationslüsternen
Daily News
erscheinen würde. Martin würde der Schlag treffen, wenn auch nur eine Andeutung erschien, daß die Polizei nicht kompetent sei. Er ging aus der Halle hinaus und über die Straße zu seinem Auto.
    Bei Tageslicht nach Scardale hinunterzufahren war kaum weniger beunruhigend, als wenn man sich nachts oder in der Dunkelheit des frühen Morgens näherte. Wenigstens verdeckte die Finsternis die schlimmsten der überhängenden Felsen, von denen George sich nur allzuleicht vorstellen konnte, daß sie abbrechen und sein Auto wie eine Blechdose unter einer Dampfwalze zerquetschen könnten. Heute aber hatte sich etwas Wichtiges geändert: Das Tor an der Straße stand weit offen, und die Fahrzeuge hatten freie Durchfahrt. Ein uniformierter Polizist stand davor, schaute in Georges Auto hinein und salutierte zackig, als er den Fahrer erkannte. Armer Kerl, dachte George. Die Tage, die er selbst mit Herumstehen in der Kälte hatte verbringen müssen, waren Gott sei Dank bald vorbei gewesen. Er fragte sich, wie Polizisten, die nicht auf der schnellen Erfolgsleiter aufstiegen, die Aussicht ertrugen, Woche um Woche die Bürgersteige abzugehen, Tatorte zu bewachen und, wie heute, erfolglos durch unwirtliche Landstriche zu stapfen.
    Das Dorf gewann durch das Tageslicht ebensowenig wie die Straße. Die ärmlichen kleinen Häuschen von Scardale hatten überhaupt nichts Romantisches an sich. Die grauen Steinbauten schienen sich an den Boden zu drücken, mehr wie eingeschüchterte Hunde als zum Sprung ansetzende Tiere. Bei einem oder zweien hingen die Dächer durch, und die meisten Holzteile hätten einen neuen Anstrich vertragen können. Hühner liefen frei herum, und jeder

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