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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Geknickte Zweige und zertretene Farnwedel waren im Umkreis von etwa eineinhalb bis zwei Metern zu sehen. George war nicht vom Land, aber sogar er sah, daß diese Beschädigung nicht lange zurücklag. Die abgebrochenen Zweige und Ästchen sahen frisch abgeknickt aus. Ein immergrüner Busch war besonders stark mitgenommen und welk, aber nicht ganz verdorrt. Wenn dies nichts mit Alisons Verschwinden zu tun hatte, wäre es ein sehr merkwürdiger Zufall.
    George beugte sich vor, eine Hand auf einen Ast gestützt. Es konnte hier wichtige Spuren geben. Er wollte den Boden nicht betreten und noch mehr Schaden anrichten, als das Suchteam schon verursacht hatte. Als ihm dieser Gedanke durch den Sinn ging, fiel seinem scharfen Blick ein dunkler Stoffetzen auf, der am Ende eines abgebrochenen Zweiges hing. Schwarze Wollstrumpfhose, hatte Ruth Hawkin gesagt. Georges Magen krampfte sich zusammen. »Sie ist hiergewesen«, sagte er leise.
    Er trat nach links zurück, ging um die zertretene Stelle herum und hielt alle paar Schritte an, um prüfend zu betrachten, was vor ihm lag. Dann sah er es: Direkt rechts vor ihm war eine Art dunkler Fleck auf der erstaunlich weißen Rinde einer Birke. Unwiderstehlich angezogen ging er näher heran.
    Das Blut war längst getrocknet. Aber daran klebte unverkennbar ein Dutzend hellblonder Haare. Und auf dem Boden neben dem Baum lag ein Knebelknopf aus Horn, an dem noch ein Stückchen Stoff hing.

6
    Donnerstag, 12. Dezember 1963, 17 Uhr 05
    G eorge holte tief Luft und hob eine Hand, um anzuklopfen. Bevor seine Knöchel das Holz berührten, flog die Tür schon auf. Ruth Hawkin sah ihm entgegen, ihr abgehärmtes Gesicht war im Dämmerlicht des Abends grau. Sie trat zur Seite und stützte sich an den Türpfosten. »Sie haben etwas gefunden«, sagte sie mit tonloser Stimme.
    George trat über die Schwelle und schloß die Tür hinter sich, er wollte die Neugierigen nicht länger als unvermeidlich zusehen lassen. Sein Blick schweifte automatisch durch den Raum. »Wo ist die Polizistin?« fragte er und drehte sich zu Ruth um.
    »Ich habe sie weggeschickt. Ich brauche niemand, der auf mich aufpaßt wie auf ein Kind. Außerdem meine ich, sie könnte etwas tun, das meiner Alison mehr bringt, als den ganzen Tag auf ihrem Hintern zu sitzen und Tee zu trinken.« Eine Bitterkeit lag in ihrer Stimme, die George neu war. Das ist gesund, dachte er. Diese Frau würde nicht bei jeder neuen schlechten Nachricht als wimmerndes Häufchen zusammenbrechen. Er war erleichtert, denn er glaubte, sich bereits jetzt als Überbringer schlechter Nachrichten betrachten zu müssen.
    »Sollen wir uns setzen?« fragte er.
    Ihr Mund zuckte, das Gesicht verzerrte sich. »So schlimm, was?« Aber sie trat von der Wand weg und ließ sich auf einen der Küchenstühle fallen. George setzte sich ihr gegenüber und bemerkte, daß sie dieselben Kleider trug wie am Abend zuvor. Sie war also nicht zu Bett gegangen. Hatte sicherlich nicht geschlafen, hatte es wahrscheinlich nicht einmal versucht.
    »Ist Ihr Mann draußen beim Suchtrupp?« fragte er.
    Sie nickte. »Ich kann nicht sagen, daß er besonders gern gegangen wäre. Er ist Naturfreund, mein Phil, aber nur bei gutem Wetter. Er mag die Sonne – wenn es aussieht wie auf einer seiner Postkarten. Aber an Tagen wie heute, kalt, feucht, mit einem eiskalten Nebel in der Luft, da sitzt er entweder am Ofen, oder er schließt sich mit zwei Paraffinöfchen in seine Dunkelkammer ein. Aber das muß ich ihm lassen, heute hat er eine Ausnahme gemacht.«
    »Wenn Sie möchten, können wir warten, bis er zurückkommt«, sagte George.
    »Das wird nichts daran ändern, was Sie mir zu sagen haben, oder?« sagte sie kraftlos.
    »Nein, leider nicht.« George nahm zwei Plastiktütchen aus der Innentasche seines Mantels. Eines enthielt das weiche, flaumige Bällchen, das am Zweig hängengeblieben war, das andere den glatten, gerippten Knebelknopf, dessen natürliche Braun- und Beigetöne sich gegen das künstliche Plastik seltsam ausnahmen. Daran hing an einem starken dunkelblauen Faden ein Stückchen dunkelblauer Wollstoff. »Ich muß Sie fragen, ob Sie dies hier wiedererkennen.«
    Sie nahm die Tütchen mit verständnislosem Gesicht und starrte sie eine gewisse Zeit an. »Was soll das sein?« fragte sie und stupste das Stückchen Stoff mit dem Zeigefinger.
    »Wir glauben, daß es Wolle ist«, sagte George. »Vielleicht von Strumpfhosen wie der, die Alison trug.«
    »Das könnte ja irgendwas sein«, sagte sie

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