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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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Überschrift der Zeitschrift
Têtu
: »Da steht
nackt.
«
    Ganz richtig. Dort stand zu lesen:
Brad Pitt endlich nackt!
    »Nein, ja, also, jetzt komm schon«, sagte Madame Martin und zog ihre Tochter am Arm.
    »Und da steht: Vvv… vernarrt in …«
    Auf dem Cover von
Marie-Claire
stand:
Frauen – vernarrt in ihren Körper.
    »Lass das. Das ist nicht interessant.«
    »Das ist wohl interessant«, widersprach Philippine eigensinnig. »Ich lese jetzt richtige Sachen, hat die Lehrerin gesagt.«
    Madame Martin war nicht weit davon entfernt, sich zu fragen, ob man wirklich so früh lesen lernen musste.
    Abends versammelten sich die drei Frauengenerationen, Mimi, die Großmutter, Minette, die Mutter, und Philippine, die Tochter, in der Miniküche. Mimi stellte einen Teller mit zwei winzigen Hacksteaks auf den Tisch sowie einen winzigen emaillierten Topf. Man hätte meinen können, die drei würden Puppenküche spielen.
    »Ich esse nur ein halbes Steak«, sagte Mimi.
    »Dann gib mir die Hälfte der anderen Hälfte«, bat Minette mit angeekeltem Blick. »Ohh! Das ist ja ganz blutig …«
    Philippine hatte Anrecht auf ein ganzes Steak, aber ihre Mutter halbierte es auf ihrem Teller. Das Mädchen zeigte mit dem Finger auf den Topf: »Was ist da drin?«
    »Hörnchennudeln«, antwortete Mimi.
    »Ich hoffe, du hast keine Butter dran gemacht?«, fragte Minette erschreckt.
    Sie vertrug keine Butter. Übrigens auch keine Nudeln.
    »Ich weiß nicht, was heute Abend mit mir los ist«, sagte sie. »Aber ich habe überhaupt keinen Hunger.«
    Sie schob das Steak beiseite und sah es an, als wäre es ihr persönlicher Feind. Dann schnitt sie sich ein Stückchen Brot ab. Nur die Kruste, weil sie das Innere nicht vertrug.
    »Gibt’s Ketchup?«, verlangte Philippine.
    Die beiden Frauen sahen sich zögernd an.
    »Brauchst du wirklich welches?«, fragte Mimi flehentlich. »Du weiß doch, das ist Chemie.«
    »Aber so lecker!«
    In ihr gab es das Bedürfnis nach guten Sachen und direkten Worten. Manchmal, so wie an diesem Abend, gab sie ein bisschen nach. Sie aß die Nudeln also ohne Butter, ohne Salz, ohne Ketchup. Dann gab es ein Joghurt ohne Zucker, weil Mimi vergessen hatte, wieder welchen zu kaufen.
    »Ein andermal«, versprach sie ihrer enttäuschten Enkelin.
    »Ach, übrigens!«, erinnerte sich Philipine. »Eglantine hat mich zu ihrem Geburtstag eingeladen!«
    Es war die Einladung, die Audrey leider hatte absagen müssen.
    »Kann ich am Mittwoch zu ihr?«
    Es herrschte fassungsloses Schweigen. Bei jemandem klingeln, den man nicht kennt? Philippine dort lassen?
    »Mittwoch … diesen Mittwoch?«, stammelte Minette.
    »Ja«, antwortete Philippine voller Hoffnung.
    »Diesen Mittwoch?«
    Madame Martin wiederholte beharrlich ihre Frage, als läge die ganze Schwierigkeit darin, dass die Einladung für einen Mittwoch statt für einen Montag war.
    »Nein, Mittwoch können wir nicht …«
    Mimi kam ihr zu Hilfe: »Ein andermal …«
    Jetzt war Philippine völlig fertig. Übrigens war es Zeit, ins Bett zu gehen. Die Pendeluhr im Wohnzimmer stieß einen Klagelaut aus, bevor sie mit ihrer schönen tiefen, vergoldeten Stimme neun Schläge zählte. Alle gingen mit einem Buch zu Bett. Um ein Uhr morgens brannten noch zwei Nachttischlampen. Mimi und Minette litten an Schlaflosigkeit. Philippine dagegen war auf der Party und tanzte mit Kicko-Kack Hase.
     
    Cécile legte das Fest auf Donnerstag, den 27 . September. Eglantines glückliche Gäste erregten daher mit ihren Beschreibungen der mehrstöckigen Geburtstagstorte, des Schwimmbads und des Karaokes nur mäßiges Interesse. Wie versprochen stellte Robin einen Schokoladenkuchen auf das Lehrerpult. Die Mama von Louis hatte zwei Sandkuchen in Hasenform gebacken, die bei den Kindern Begeisterung auslösten.
    »Meine Mama isst sso nett.«
    Die Welt, wie Louis ssie ssah, war in Nette und nisst Nette geteilt, und er versuchte mit all der Bereitwilligkeit eines kleinen Jungen dafür zu sorgen, dass die Waage sich zur guten Seite senkte.
    »Ich hab euch Apfelschorle mitgebracht!«, sagte Cécile. »Das ist Kindersekt.«
    Um die Illusion perfekt zu machen, hatte sie Sektgläser aus Plastik gekauft.
    »Tönnen wir Musit anmachen?«, fragte Audrey und schwenkte ihre
Street-Generation
- CD .
    Unwillkürlich warf Cécile einen Blick zu der Wand, die sie von der zweiten Klasse trennte.
    »Ja, aber nicht zu laut.«
    »Der Müller hat ein Mühlenhaus, kommt immer nur … Lärm heraus«, trällerte Démor.
    Die

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