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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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reinlich war wie eine Katze, hatte ein- oder zweimal versucht, Forderungen zu stellen. Sie hatte ihn mit einem einfachen Satz abblitzen lassen: »Ist mir scheißegal, ob es dreckig ist.«
     
    Nathalie verschwand in ihrem Zimmer. Es bestand aus einem unbeschreiblichen Chaos, bestreut mit Zigarettenasche. Denn Nathalie, die es mit ihrer Auflehnung sehr weit trieb, rauchte, um die Nichtraucher zu ärgern, und drückte ihre Kippen neben den Aschenbechern aus, weil sie die bestehende Ordnung ablehnte.
    Eloi warf seinen Bademantel wieder beiseite, legte sich bäuchlings aufs Bett und blätterte die Lokalzeitung durch.
    »Ich geh zur Arbeit«, rief Nathalie, als sie erneut sein Zimmer betrat.
    Sie war Krankenschwester und arbeitete als Vertretung im Krankenhaus, wo sie am liebsten die Nachtdienste übernahm, die härtesten, und sich um Bettlägerige und Sterbenskranke kümmerte. Seufzend griff Eloi nach dem Bademantel und band ihn sich als Lendenschurz um.
    »Hast du das hier gesehen?«, fragte er und zeigte auf einen Artikel. »Diese Frau aus der Elfenbeinküste ohne Aufenthaltsgenehmigung in Montargis?«
    Er las ihr die Meldung vor: »Unter dem Schock eines Ausweisungsbescheides ist eine vierundzwanzigjährige Frau aus der Elfenbeinküste, die mit ihren beiden ein und drei Jahre alten Kindern von Amts wegen in einem Hotel in Montargis untergebracht war, aus dem Fenster im ersten Stock gesprungen. Eine Vertreterin der Präfektur hatte ihr gerade mitgeteilt, dass sie bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag unter polizeilicher Überwachung bleiben würde und es ihr untersagt sei, das Haus zu verlassen. Die junge Frau ist schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Die beiden Kinder wurden dem Jugendamt übergeben.«
    Wie der Schatten eines Flügels zog Mutlosigkeit über Nathalies Gesicht.
    »Es wird immer schlimmer«, schnaubte sie.
    Die beiden jungen Leute schwiegen. Sie stellten sich die Szene in dem Hotelzimmer vor. Dann begann Nathalie sich wieder aufzuregen: »Sie haben da so eine Tante in die Präfektur gesetzt, so eine Perlenschnepfe, die immer nur von Ausweisung redet. Ich bin mir sicher, dass sie den Fall von Madame Baoulé blockiert.«
    »Baoulé – ist das die, deren Mann umgebracht wurde?«
    »Ja, ihm wurde die Kehle durchgeschnitten. Vor den Augen seiner Frau und seines kleinen Jungen.«
    Nathalie wurde laut: »Was wollen die? Dass sie in ihre Heimat zurückkehrt, um sich ebenfalls die Kehle durchschneiden zu lassen?«
    »Nur die Ruhe, Nat«, sagte Eloi freundlich.
    Sie schüttelte erbittert den Kopf. Ruhe?
    »Wir müssen eine Revolution machen!«
    »Dann bin ich schlecht dran«, bemerkte Eloi.
    Er gehörte einer Familie von altem Adel an, die während der Französischen Revolution einige Köpfe verloren hatte. Nathalie musterte ihn und ihr Herz beruhigte sich.
    »Mach dir keine Sorgen, Saint-André, ich sage zu deinen Gunsten aus.«
    Sie ging und schlug die Türe zu, und Eloi de Saint-André fiel ein, dass er ebenfalls zur Arbeit gehen musste. Er hatte Spätschicht im Tchip Burger. Er zog eine Armeehose an, die er für drei Euro auf dem Flohmarkt erstanden hatte, ein verblichenes Hemd mit Spitzenmanschetten, das er für zwei Euro einer Freundin abgekauft hatte, die Kostümbildnerin am Theater war, und setzte einen schwarzen Filzhut auf, den er in der Straßenbahn auf einem Sitz gefunden hatte. Die Extravaganz passte ihm wie angegossen.
    Zwanzig Minuten und drei Straßenbahnhaltestellen später stand er vor seinem Spind, nahm seine Dienstkleidung heraus und zog sie in der kleinen Kammer der Mitarbeiter an. Es war immer noch derselbe verrückte Junge, aber jetzt mit Käppi. Er kam gerade recht zum großen Ansturm.
    »In die Küche!«, brüllte Xavier.
     
    Eloi bereitete im Eiltempo Burger und Nuggets zu und bewahrte dabei ein völlig abwesendes Gesicht. Das war seine Art, unbeschädigt zu bleiben. Er machte sich ganz leer. Spätschicht bedeutete, den Eingang und die Küche zu putzen, sobald der Laden zugemacht hatte. Alle waren k.o., und die Stimmung unter den Mitarbeitern war inzwischen so schlecht, dass jeder versuchte, dem anderen die unangenehmsten Arbeiten unterzujubeln. Elois Aufgabe war es daher, die Fritteusen zu entfetten. Gegen halb eins kam der Chef vorbei. Die Tageseinnahmen machten ihn unzufrieden.
    »Ein Tchip Burger im Zentrum würde besser laufen«, sagte Xavier entschuldigend.
    »Stell dir vor, daran habe ich auch schon gedacht«, erwiderte
Die Firma.
»Es gibt nur keinen

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