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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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läuft uns davon.«
    Und wo war Gaynor? Wieder waren zwei Minuten verstrichen. Mallory beschloß, noch zwei zuzugeben. Wenn er dann nicht auf der Bühne stand, mußte sie sich auf die Suche machen.
    Fiffi stakste hin und her und rief weitere Befehle. Die Scheinwerfer gingen an und aus, wanderten nach oben und unten. »Jonathan!« rief sie. »Wo zum Teufel steckst du?«
    Das hätte Mallory auch gern gewußt. Seit neunzehn Minuten bist du verschwunden, du Ar-
    In diesem Moment stürmte Gaynor auf die Bühne, einen breitrandigen Hut auf dem Kopf, den Schlips auf Halbmast, die Hemdsärmel aufgekrempelt und mit Ärmelhaltern versehen. Und noch etwas hatte sich an seiner Erscheinung geändert. Seine Ellbogen zuckten nicht mehr, die Füße trugen ihn bereitwillig in die von ihm gewünschte Richtung. Er verbeugte sich tief und küßte Fiffi die Hand, ohne daß es lächerlich wirkte. Plötzlich hatte er Stil und Haltung. Das nenne ich schauspielern, dachte Mallory mit widerwilliger Bewunderung.
    Tänzerisch-elegant bestieg Gaynor die unfallträchtig wackelnde, nach rechts abschüssige Plattform und setzte sich an den Schreibtisch, auf dem ein altmodisches Mikrofon mit den Kennbuchstaben eines Radiosenders stand.
    Im Zuschauerraum herrschte jetzt Halbdunkel. »Verdammt, wo ist der Shadow?«
    Die Doppeltür zum Foyer flog auf, die Türflügel schlugen krachend an die Wand. Alle Schauspieler drehten sich zu dem jungen Mann um, der den Zuschauerraum betreten hatte und einen Augenblick im Zwielicht stehen geblieben war. Er hatte wilde schwarze Locken, schwarze Augen und volle Lippen. Bildschön, dachte Mallory. In diesem Moment schwankte er und fiel volltrunken, aber mit einer perfekten Dreipunktlandung, auf Hinterkopf, Po und einen Ellbogen. Das muß der Shadow sein, stellte Mallory bei sich fest, und Fiffis entsetztes Gesicht bestätigte diese Vermutung.
    Gaynor stieg von seiner Plattform herunter, hechtete mit einem eleganten Satz in den Zuschauerraum und beugte sich über den regungslosen jungen Mann. Er rief ihn beim Namen, rüttelte ihn, suchte nach Lebenszeichen und schleppte schließlich den leblosen Körper durch die Seitentür hinaus, indem er ihm unter die schlaff herabhängenden Arme griff.
    Wie ist nur Fiffi auf den Gedanken gekommen, dachte Mallory, die Rolle des Shadow diesem hinreißenden Typen zu geben, der noch stockbesoffen so unheimlich sexy wirkt? Für einen Mann, der die Gabe hatte, seinen Mitmenschen die Gedanken zu trüben und sich unsichtbar zu machen, war er die denkbar schlechteste Besetzung. Welche Frau – und sei sie noch so tranig und tiefgekühlt – hätte bei seinem Anblick nicht prompt an das eine gedacht? Welche Frau hätte ihn nicht zielsicher in jeder Menge ausfindig gemacht?
    Gaynor kam auf die Bühne zurück und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Die Plattform war so wackelig, daß Mallory jeden Augenblick erwartete, sie würde zusammenbrechen und Gaynor samt Schreibtisch und Schreibtischstuhl unter sich begraben.
    Eine Stunde mußte Mallory alte Hörspielfragmente, einen Jack-Benny-Sketch, eine Szene aus Stella Dallas und Fiffis keifende Regieanweisungen über sich ergehen lassen, ehe der Text kam, auf den sie gewartet hatte:
    Wer weiß, wie viel an Bösem wohnt in eines Menschen Herz?
    Der Shadow weiß es.
    Mallory sprach die Worte lautlos mit. Wenn sie die Augen schloß, sah sie sich wieder mit Markowitz im Keller des Brooklyn-Hauses sitzen, Kakao trinken und mit ihm in die Welt des So-tun-als-ob abtauchen.
    Es gab eine lange Pause, die im Stück nicht vorgesehen war. Der Shadow hatte sein erstes Stichwort verpaßt.
    Sie schlug die Augen auf. Der Star stand auf der Bühne und war offensichtlich stocknüchtern. Mit Kaffee konnte er das unmöglich so schnell geschafft haben. Demnach hatte er die kleine Szene vorhin nur gespielt, um Fiffi zu ärgern. Jetzt ging er zur Bühnenmitte und begann einen hinreißenden Monolog.
    Der Text war aus Endstation Sehnsucht und hatte mit der Rolle des Shadow nicht das geringste zu tun. Die Heldin des Stückes aber machte bereitwillig mit. Sie kam aus den Kulissen gerannt und warf sich dem animalisch kreischenden und brüllenden Sexprotz an den Hals. Ensemble, Bühnenarbeiter und Mallory klatschten heftig, als er sie von der Bühne trug. In der allgemeinen Begeisterung ging Fiffis Gezeter unter.
    Im Zuschauerraum wurde es hell, während Mallory nach unten ging. Draußen wartete sie, ein Buch vor der Nase, bis die Schauspieler in Straßenkleidung das

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