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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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sofort.«
    »Wir machen es auf meine Art.«
    Ein Dienstmädchen in schwarzem Kleid und gestärkter weißer Schürze führte sie, nachdem Mallory ihren Namen genannt hatte, zu einem kleinen Vorraum, in den auf einer Wolke erlesener Parfüms diskretes Klappern von Teegeschirr und eine Etüde von Chopin zu ihnen hineinwehten. Das Mädchen verschwand in dem großen Raum, dem diese kleine Wartezelle für verdächtige Besucher vorgeschaltet war. Mallory hörte hohe Zwitscherstimmen und melodisches Lachen. Gleißende Sonne fiel durch die großen Fenster. Unter der Parfümwolke lauerte säuerlicher Krankenzimmermuff.
    Das Mädchen machte eins der Schiebefenster auf, durch das nun der Straßenlärm drang. Demnach ging der Vorraum nicht auf den Park hinaus. Ein Autofahrer hupte anhaltend – was nach stillschweigender Übereinkunft auf dem Gramercy Square tabu war-, und ganz in der Nähe jaulte die Sirene eines im Stau stecken gebliebenen Krankenwagens. Die alten Damen saßen auf ihren Sesseln wie Vögel auf der Stange, während der Tisch aufgestellt und Stühle hereingetragen wurden. Hennarote Haarschöpfe neigten sich blau gespülten Schlohköpfen zu, die Spannung war förmlich mit Händen zu greifen.
    Lächelnd betrat eine Dame in den Siebzigern den Vorraum. Der Hals war üppig mit Perlen behängt, der Kopf unverhältnismäßig klein – eine mit weißer Watte beklebte Murmel auf einer Eieruhr mit verdickter Taille.
    »Miss Mallory? Ich bin Fabia Penworth, Marions Mutter.
    Es freut mich sehr, daß Sie kommen konnten. Aber–« Sie warf Edith Candle einen irritierten Blick zu. »Nein, das geht nicht! Sie sollten allein kommen, Redwing empfängt keine unangemeldeten Besucher.« Sie trat einen Schritt näher an Mallory heran und sagte in weithin vernehmbarem Flüsterton: »Ich habe ihr ausführlich von dem unzeitigen Tod Ihres Vaters erzählt. Geistwesen, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind, sagt sie, kann man besonders gut erreichen. Sie wollen den Kontakt mit uns, sie wollen, daß die Wahrheit ans Licht kommt.« Dann kam sie wieder auf die ärgerliche Anwesenheit von Edith zurück. »Das geht nun wirklich nicht …«
    »Es ist eine alte Freundin der Fa–«
    Edith trat einen Schritt vor. »Ich bin Edith Candle. Vielleicht haben Miss Whitman oder Mrs. Gaynor mal von mir gesprochen. Wir hatten, soviel ich weiß, denselben Broker.«
    »Aber ja!« Mrs. Penworth gab Edith Candle Gelegenheit, ein teures zahnärztliches Gesamtkunstwerk zu bestaunen. »Welche Ehre. Damit hätte ich nie gerechnet. Kein Problem, Mrs. Candle, Redwing wird entzückt sein. Bei Ihrem Ruf in der spiritistischen Welt …«
    Falls Redwing entzückt war, wußte sie es geschickt zu verbergen. Sie saß, in leuchtend bunte Gewänder gehüllt, einen indischen Schal turbanartig um den Kopf geschlungen, auf dem schweren Polstersessel wie auf einem Thron. Mallory schätzte, daß ihr Schmuck – schwere Armbänder und goldene Ketten – gut und gern zehn Pfund wog. An den zierlichen Füßen hatte sie goldene Riemchensandalen. Sie kniff die Augen zusammen und streckte Edith Candle die Hand hin wie zum Kuß. Jemand wie Redwing hatte es nicht nötig, zur Begrüßung älterer Damen aufzustehen.
    Edith nahm Redwings ausgestreckte Hand und zuckte ein wenig. Vielleicht tat ihren arthritisgeplagten Händen auch der leichteste Druck weh. Redwings Augen hatten sich geweitet, blickten beängstigend scharf und klar.
    Hinter Redwings Sessel stand der Junge, der ihr ständiger Begleiter war und in dem sich Gene aller Rassen zu einer eigenartigen Mischung zusammengefunden hatten: goldbraune Haut, krauses Haar, der Gesichtsschnitt eines Weißen, gelbe, schräg gestellte Augen ohne Mongolenfalte. Das Gesicht wirkte stumpf. Stand er unter Drogen?
    Als Redwing mit einer majestätischen Geste die Audienz beendet hatte, zog Mallory Edith Candle in eine stille Ecke.
    »Daß Sie Estelle Gaynor kannten, haben Sie mir ja noch gar nicht erzählt.«
    »Sie haben mich nicht danach gefragt. In meinem Alter ist es nichts Außergewöhnliches, wenn man die eine oder andere Person kennt, die es inzwischen nicht mehr gibt.«
    »Das eine oder andere Mordopfer?«
    Und wie stand es mit Samantha Siddon? Hatte das vierte Opfer vielleicht auch die eine oder andere der Frauen gekannt, die ihr in eine hoffentlich schönere Welt vorangegangen waren?
    Ein melodisches Glockenspiel an der Tür meldete den nächsten Gast. Jonathan Gaynor trat vor Redwings Thron, gab ihr die Hand, ließ sich dann

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