Ein Ort zum sterben
Körper sich schüttelte wie im Krampf. Er stieß an den Tisch, der Sessel schaukelte, die Sesselbeine schlugen einen harten, hämmernden Rhythmus. Unvermittelt wurde die große schwere Frau ganz steif, lehnte sich im Sessel zurück, vergrub den Kopf in den Polstern und drückte mit weit geöffnetem Mund das Kinn an die Brust.
Dann sah sie Mallory an. Mit Markowitz’ Lächeln, das tausend Fältchen in seinen Augenwinkeln aufspringen ließ.
Auch die anderen lächelten. Markowitz’ Lächeln war bekanntlich ansteckend. Nur Mallory blieb ernst.
»Wie geht’s, Kleines?« sagte die tiefe Stimme mit dem unverkennbaren Brooklyn-Tonfall.
Mallory und Markowitz sahen sich über den Tisch hinweg an.
»Nenn mich nicht Kleines«, sagte sie.
Markowitz lachte und wollte gar nicht wieder aufhören. Der Tisch bebte unter Mallorys Händen, sie war wie berauscht von Markowitz’ Gelächter.
Der Junge trat hinter dem Sessel hervor und verfiel nun auch in Trance. Der Tisch schaukelte, obwohl Redwings gespreizte Hände ruhig lagen und der Junge den Tisch nicht berührte. Die Musik hatte wieder eingesetzt, aber der Plattenteller drehte sich nicht. Buddy Holly sang vom Auf und Ab der Liebe.
Markowitz’ Lachen war verstummt, jetzt lächelte er wieder, herzlich und entspannt. »Möchtest du mir etwas sagen, Kathy? … Nein? … Oder vielleicht etwas fragen?«
»Wer weiß, wie viel an Bösem wohnt –« Ihre Stimme war klein und zerdrückt und erstarb schließlich ganz.
»Der Shadow weiß es«, sagte Markowitz.
Der Mund des Jungen bewegte sich lautlos mit, der magere Körper wiegte sich vor und zurück. Markowitz lachte wieder, und der Junge stimmte ein. Mit geschlossenen Augen wiegte er sich im Takt der Musik und streckte lachend den Bauch vor.
Jetzt hatten sie alle die Hände flach auf den Tisch gelegt, der sich noch immer bewegte, mal ein Stück nach links, mal ein Stück nach rechts. Mallory spürte die Energie, die durch ihre Handflächen strömte. Ihr Körper verspannte sich. Markowitz lachte, ihr Herz hämmerte, der Tisch tanzte wie ein Derwisch, die Spannung stieg, die Zeitbombe tickte, Blut erstarrte zu Eis, die Gedanken rasten. Lauter wurde das Lachen. Immer lauter.
In den Augen des Jungen stand jetzt nacktes Entsetzen. Er riß die Hände hoch, als wollte er Schläge abwehren, sein Mund öffnete sich zu einein stummen Schrei, irgendwo lachte es noch immer. Mit beiden Händen griff er sich an den Leib – genau an die Stelle, wo Markowitz der tödliche Stich getroffen hatte. Die Madonna kippelte wild und fiel um, der Gipskopf brach ab und rollte über den Tisch auf Mallory zu.
Mallory hatte nicht gemerkt, daß sie aufgestanden war, bewußtes Handeln setzte erst wieder ein, als sie, wie aus einem Traum erwachend, über den dicken Teppich zur Tür ging. Hinter sich hörte sie Markowitz schreien, hörte das zischelnde Wispern der alten Damen, das Schurren von Möbeln, die sich wie von selbst über den Boden bewegten. Markowitz’ Schreien im Ohr, das allmählich zu einem gurgelnden Stöhnen verebbte, verließ sie die Wohnung und ging mit starrem Blick auf das Scherengitter des Aufzugs zu. Nur weg von hier. Hinter ihr schrie Markowitz.
Und dann hörte sie Schritte. Edith Candle hatte sich in Trab gesetzt, um sie einzuholen. Und dann standen sie wortlos nebeneinander in der altmodisch-verschnörkelten Kabine, die sie drei Stockwerke in die Tiefe trug, durch finstere Schatten und grelles Licht, ein Wechselbad von Hell und Dunkel, bis sie glücklich wieder festen Boden unter den Füßen hatten.
Henry Cathery stand am breiten Schlafzimmerfenster und beobachtete, wie sie mit der alten Frau das Haus verließ. Wie schön sie war. Lange schon stand er so und rührte sich nicht.
Auch heute hatte sie ihm nicht Gesellschaft geleistet, er mußte jede Gelegenheit nutzen. Henry Cathery fing das vom Leid gezeichnete Gesicht in seinem Teleobjektiv ein und drückte ab. Einmal, zweimal, viele Male. Und noch einmal, als sie zu ihrem braunen Kleinwagen ging, der so schön nach ihr roch.
Sie und die alte Frau stiegen ein, der Wagen rollte davon. Henry Cathery blieb am Fenster stehen und sah auf das große Schachbrett des Gramercy Park herunter.
Die Polizei hatte den üblichen Fehler unbegabter Schachspieler gemacht. Die Trottel würden sich weiter in ausgefahrenen Gleisen bewegen, phantasielose Spieler, die auf ihre Erfahrung pochten und unfähig waren, den kühnen Logiksprung zu wagen, mit dem allein man bis zum Endspiel kommt.
In
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