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Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Titel: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Berg
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dann ist alles wie immer, und sie fühlt den Jungen neben sich, in den sie nicht verliebt ist, aber für den sie ein Gefühl hat wie einer der lange durch eine Wüste gelaufen ist und dann auf einmal da eine Hundeblume sieht.
    TOM liegt im Bett
    Die Tage ineinander, eine Masse Klumpen aus Kot, Klo, fettigem Essen, das so Marokkaner bringen, Hitze, Geruch, Einsamkeit. Und Angst zu sterben, hier, wo Tom doch gerade anfing, eine Idee vom Leben zu bekommen. Aber es sieht wohl so aus. Daß Tom immer schwächer wird, dem Besitzer der Pension ist das egal und den Marokkanern eigentlich auch. Die halten Tom für einen Junkie, und wenn er stirbt, werden sie sein Gepäck teilen. Wenn Tom aufsteht, zittern seine Knie, ihm wird schlecht, und er muß brechen. Wenn er liegt, zittert das ganze Bett, und er muß brechen. Einmal denkt er an einen Arzt, aber wie soll der herkommen, der Arzt, und das Geld ist fast alle, wird er wohl sterben müssen, der Tom, in dieser Stadt, die er haßt.
    Als der Hotelier kein Geld bekommt, für die neue Woche, geht er in das Zimmer von Tom. Das Zimmer, wo Tom liegt, im eigenen Saft, und im Gestank liegt er da ganz verkrümmt und abgemagert.
    VERA sagt was
    Irgendwann ging das dann echt nicht mehr. So daliegen und die Augen zu. Die Mittagssonne war gekommen und hatte die beiden schwitzen gemacht. Mußte also was passieren. War gar nicht mehr lässig sonst. Einfach aufstehen und fröhlich drauflosreden von Frühstück und so, dachte Vera, geht nicht. Ist schon zu lange still. Und einfach noch mal ficken, dachte Pit, geht nicht. Zu lange halten wir schon nur unsere Hände. Was sagen, was sagen, denkt Vera, das dem Ganzen ein Ende macht, und ich mich anziehen kann und gehen, ohne daß etwas kaputt geht dadurch. Und wie Vera an weggehen denkt macht es Stiche, und sie merkt, daß sie nicht weggehen will. Aber so lie-genbleiben ist ja auch keine Antwort. Und Pit denkt, hof-fentlich geht sie nicht, und er denkt, daß sie gehen könnte, und es tut weh. Und dann denken beide, ob sie vielleicht verliebt sind. Weil sie das aber schon so lange nicht mehr waren, ist da eine angebrachte Unsicherheit. Und dann ist es irgendwie über dem Punkt, und Vera ist mutig. Nimmt das Gefühl, das noch ganz dünn ist aus dem Bauch heraus, wickelt Worte darum, um es anzufassen, hebt es mit den Worten aus dem Bauch raus. Ans Licht. Aber eben, das Ge-fühl ist noch so dünn und hat Angst vor dem Tag, und die Worte bilden Lücken. Durch die rutscht das Gefühl, fällt auf den Boden. Und nur die Worte sind übrig, leer und stehen im Raum. Sagen nichts. Machen nur unangenehm, weil sie so leer sind. Nicht genügen. Können. Pit hört nur die Worte, sieht das Gefühl nicht, denn als er die Augen wieder aufmacht, ist das im Zimmer gestorben, wegen des Drecks vielleicht, der am Fußboden liegt, erstickt. Hört nur die leeren Worte und denkt: Wie leer, wie hohl. Und steht auf. Zieht sich an. Die Frau steht dann auch auf. Beide geben sich einen Kuß auf die Wange. Ein Nichts von einem Kuß. Und die Sonne macht das Zimmer häßlich, der Kuß macht die Nacht ungeschehen, und Pit hört, wie Vera die Treppe runtergeht, die Tür zuschlägt, und geht ins Zimmer zurück.
    NORA und TOM sitzen rum
    Diese Aufenthaltsräume in Krankenhäusern sind wohl auf der ganzen Welt gleich. Außer vielleicht in Bangla-desch, wo dann mehr Kakerlaken wären. Aber sonst sind sie wahrscheinlich immer gelb. Ein paar alte Zeitschriften, also so was wie das Goldene Blatt, liegen auf einem Tisch, der aussieht wie vom Sperrmüll. Und um den Tisch sind Stühle, die auch von da zu kommen scheinen. Manchmal steht ein Fernseher in solchen Räumen, und aus irgend-einem Grund ist die Gardine immer ein paar Zentimeter weit abgerissen und so Stöcke dran zum Ziehen, damit keines die gelben Gardinen schmutzig macht. In diesen gelben Zimmern sitzen immer gelbe Leute, die oft Krebs haben und immer noch rauchen müssen. Die Menschen in Krankenhäusern sind zum größten Teil häßlich. Gar nicht, weil sie krank sind, sondern weil ein repräsentativer Be-völkerungsprozentsatz in Krankenhäusern liegt und diese Prozente eben häßlich sind. Außer vielleicht die Nuba in Afrika, aber keine Ahnung, ob die Krankenhäuser haben.
    In einer Ecke des gelben Zimmers sitzt Nora. Sie wurde ein -
    geliefert, weil sie sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte.
    Weil Nora überdies noch böses Untergewicht hatte und vermutlich einen Dachschaden, behielten die Ärzte sie gerne im Krankenhaus. In

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