Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Titel: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Berg
Vom Netzwerk:
Zunge.
    Wollte sie Mitteln. Nora sah sich im Spiegel an. Nora nahm eine Ecstasy und legte sich aufs Bett, um das Schlingern zu merken. Das Schlingern begann. Und Nora hatte immer noch diese Rasierklinge. Sie schnitt sich in den Arm und sah zu wie das Blut rauskam. Jetzt tat es nicht mehr weh. Das Blut war der Faden an dem Nora hing. Sie sah die einzelnen Blutkörper. Nora hörte die Blutzellen wimmern und wurde ganz traurig. Die armen kleinen Dinger.
    Eine Blutzelle hatte sich als Marienkäfer verkleidet. Nora dachte an Weihnachten. Als sie mit ihren Eltern in einem kleinen Dorf gewesen war. Alles voll Schnee. Und wie sie geweint hatte, als sie einen Schlitten bekam und doch lieber ein Snowboard wollte. Nora hatte auf einmal Sehnsucht. Nach Weihnachten. Nach ihrer Mutter. Nach einem Snowboard. Und nach kleinen Häusern, wo Rauch raus-kommt. Nora sah den Jungen neben sich an. Und langsam legte sie ihre Hand auf seinen Arm. Das Blut lief da drauf.
    TOM fährt nach Barcelona
    Ich nach Barcelona. Und direkt hasse ich das da. Alle hier sehn aus, als wollten sie einen beklauen. Oder beschei-
    ßen. Oder umbringen. Oder alles zusammen. Vielleicht bin ich krank oder so was. Die Sonne ist zu hell und tut weh, und ich laufe durch die Stadt und frage mich warum.
    Ich habe keine Lust mehr. Zu reisen. Die erste Pension nehme ich. Dunkel und es stinkt. Auf jeder Etage ein Herd und da drum stehen Araber oder so ein Zeug und kochen lautriechende Geschichten. Klo auf dem Flur. Mein Zimmer stickig, heiß. Das Bett durchgelegen. Wolldecke. Ich leg mich auf das Bett, und das fährt sofort los. Ich schaff es gerade noch aufs Klo. So ein Loch im Fußboden ist das. Voll Kot. Ich habe Durchfall. Einiges geht daneben.
    Kein Papier da. Ich such in dem Eimer, der da steht, nach einem Fetzen. Zieh meine Hand raus, voll Kot. Unge-schickte Bewegung. Ich rutsch aus, fall in den Kot, der um das Loch verteilt ist. Die Wände haben Spuren, von Kot.
    Ich atme Kot. Schleppe mich in mein heißes Zimmer. Das Bett hält nicht an. Ich muß brechen. Schaffe es nur bis zu dem Waschbecken. Fließt nicht ab, das Gebrochene, geht nicht ins Rohr. Das Zimmer stinkt. Ich lege mich auf den Fußboden. Schüttelfrost. Ich hasse Barcelona. Als ich aufwache, ersticke ich fast. Vielleicht wache ich deshalb auf.
    Mein Körper haßt die kratzige Wolldecke. Ich liege da und seh mir meinen Fuß an. Winke mir mit dem kleinen Zeh zu. Und werde auf einmal traurig. Der Fuß ist so sinnlos, wenn niemand ihn streichelt. Die kleinen Zehen sehnen sich danach, in den Mund genommen zu werden. Nichts trauriger als ein Fuß, der von niemandem geliebt wird.
    Schweiß auf meiner Haut. Der Fuß liegt traurig weit weg von mir und will sich töten. Ich fasse meinen Schwanz an. Tröstet auch nicht. Muß ich wieder aufs Klo. Und wieder aufs Bett. Das Licht geht weg. Der Lärm nicht. Der nimmt noch zu. Oder man hört ihn besser, wenn das Licht weg ist.
    VERA und PIT sagen nix
    Als hätten sie beide Angst, daß die Situation sich grundle-gend ändert, daß sie kippt, peinlich wird, falsch wird, wenn sie sprächen, sprechen sie nicht. Die Ruhe stimmt auch nicht. Aber reden macht Wirklichkeit. Wirklichkeit ist für jeden was anderes. Die beiden Menschen nebeneinander, die schweigen, und die Augen zumachen, um nicht sehen zu müssen, was für sie Wirklichkeit ist. Die Wirklichkeit für Vera ist, daß sie so viel älter ist als der Junge neben ihr. Daß sie verheiratet ist und ein Kind hat, das keins mehr ist, und daß sie in einem häßlichen Haus lebt, in das sie gleich wieder gehen muß, in ein häßliches Leben gehen muß. Und die Wirklichkeit für den Jungen ist, daß er einen Schwindel lebt, wenn er die Augen aufmacht. Dann sieht er ein kleines, dreckiges Zimmer und eine Karriere, die keine ist. Weil der Junge weiß, daß er kein Talent hat und ihm die Prozente Ehrgeiz fehlen, die Talentlosen dennoch Erfolg bringen.
    Und daß er gleich 30 ist und nicht weiß, was er werden will, außer Rockstar. Die Wahrheit ist, wenn er die Augen aut-macht, daß da eine Frau liegt, neben ihm, die anders ist als die Frauen, die da sonst immer liegen. Er ist nicht verliebt in die Frau. Aber ein Gefühl hat er für sie, wie ein Mensch der auf einem Meer treibt ein Gefühl für einen Baumstamm hat, der da auch schwimmt. Und wenn er die Augen aufmacht, ist die Wirklichkeit da, denkt der Junge, und die Frau wird weggehen, und es wird alles wieder so, wie gestern.
    Und die Frau denkt, wenn ich die Augen aufmache,

Weitere Kostenlose Bücher