Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
irgendwann haue ich da drauf, auf den Beutel, mit was Großem, das eventuell gleich der ganze Kopf weggeht. Aus dem der Kunde immer Witze erzählt. Schlechte, über die der Frisör dann lachen muß. Weil das zum Job gehört. Seit 25 Jahren. Die Frau auf der Tapete zwinkert. Als der Frisör die Tapete angebracht hat, da war er ein Mann in den besten Jahren.
Und hat gedacht. Irgendwann fahre ich einfach weg.
Schließe den Laden nicht auf, morgens, sondern gehe zum Flughafen und fliege zu dem Strand. Da lebe ich dann in einer Hütte. Ich habe einen Sonnenhut auf und baue Dinge an. Ich fange Fische und so. Der Frisör hat dann aber ge-heiratet, und zwei Kinder hat er gekriegt. Und mal ehrlich, mit einer Frau und zwei Kindern fährt keiner an einen Strand, um da in einer Hütte zu wohnen. Und Fische zu fangen, für vier Leute. Und nie wußte er, wie er denn diese blöden Fische fangen sollte. Vielleicht ist er deshalb auch noch hier. Wegen der verdammten Fische. Es ist neun Uhr.
Am Morgen. Vielleicht gehe ich einfach weg, nachher.
Nachdem der Kunde da war, mit dem Grießbeutel. Ja, denkt sich der Frisör. Soll'n doch alle mal sehen, wie ich das so einfach mache. Weggehen. Vielleicht passiert heute was Großes, denkt er weiter. Dann nimmt er das nächste Messer. Um es besonders scharf zu machen. Und die Tapete schmunzelt.
Fall 2, Fototapete Tiere, 1996
Zwischen ihren Käfigen sitzt die Tierhändlerin. Ihre Beine sind wieder dick. Vom Stehen, wahrscheinlich. Seit zehn Minuten ist der Laden geschlossen, aber sie sitzt noch da, zwischen ihren Käfigen. Und schaut sich um. Vor der Wand mit der Tapete, ein Motiv mit einem deutschen Mischwald und äsendem Rotwild darauf, steht das Terrarium mit dem Kaiman. Die Vögelvolieren links hinten. An den anderen Wänden die Hamster, Meerschweine und die Tanzmäuse. Ein paar Schildkröten und ein Wurf junger Siamkatzen. Die Tiere sind sehr ruhig. Sie beobachten die Tierhändlerin. Die guckt ihre Beine an. Die Tierhändlerin ist 50, und vor drei Jahren ist ihr Mann gestorben. Sie persönlich konnte Tiere noch nie speziell leiden. Sie persönlich konnte auch den Laden nicht leiden, die Tapete nicht und ihren Mann, den konnte sie auch nicht leiden. Was glotzt ihr so, fährt die Tierhändlerin ein stumm äugendes Hamsterpärchen an. Die Tiere schweigen. Gleich werde ich nach Hause gehen, denkt die Tierhändlerin. Sie verzieht den Mund. Ihre Wohnung liegt über dem Laden, und irgendwie riecht es da. Es ist Sommer und heiß, und die Tierhändlerin hat dicke Beine, vom Stehen. Sie denkt, wie sie wieder nackt auf dem Bett liegen wird, heute nacht, die Geräusche der Tiere von unten wird sie hören, den Geruch der Tiere in der Nase haben. Ihr nackter Leib wird von Schweiß überzogen sein, und sie wird so eine Sehnsucht haben. Wird sich auf ihr Kopfkissen pressen und nicht schlafen können, weil da keiner ist für ihre Sehnsucht.
Die Tierhändlerin steht auf, und geht zu dem Kaiman. Sie überwindet sich und faßt in das Terrarium. Hebt das warme, trockne Tier heraus. Das Tier guckt sie so blöd an, wie das nur Kaimane bringen. Sie setzt den Kaiman auf den Fußboden. Geht weiter zu den Nagern. Öffnet ihre Käfige, stülpt Glasbehälter um, schiebt die Türen der Vogelbauer hoch. Die Tiere sind ruhig und verlassen mit einem gewis-sen Selbstverständnis ihre Gefängnisse. Die Tierhändlerin geht in die kleine Ladenküche. Auf dem gelben Wasch-beckenrand liegt noch ein alter Rasierapparat ihres Mannes. Da macht sie die Klinge raus. Hält sie in der Hand und sieht sich an, in dem halbblinden Spiegel, der da hängt.
Sieht da eine alte Frau. Die Tiere haßt und sich selbst, und die weiß, daß sie noch viele Jahre, viele Nächte allein, schwitzend in einer Wohnung auf einem Bett liegen wird, das sie auch haßt. Hebt die Rasierklinge zum Auge. Zum Blenden. Aber ein Schmerz am Fuß lenkt ihre Aufmerk-samkeit. Ein kleiner Hamster hat sich in ihren Spann ver-bissen. Die Tierhändlerin steht da und guckt den Hamster an. Sie geht mit dem Hamster am Spann in den Verkaufs-raum. Alle Tiere sitzen im Kreis zusammen und nicken. Sie lecken sich mit ihren Tierzungen über die kleinen Zähne und Schnäbel und nicken. Und sehen die Tierhändlerin an.
Die schaut zur Wand. Es scheint ihr, als würden die blöden Hirsche auf der Fototapete ein bißchen grinsen.
Gespräch mit Dr. Waldner, Vorsitzender der Liga zur Be-kämpfung extraterristischer Killertapeten.
Herr Doktor, wie viele Todesfälle gehen in den
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