Ein paar Tage Licht
Entschuldigt mich für einen Moment.«
Eley sah sie aufstehen, um den Paravent herumkommen, diesmal kein Blick, kein Risiko. Ein Luftzug, als sie die Tür zum Toilettengang öffnete, das gedämpfte Klacken ihrer Absätze. Er wartete einen Moment, dann folgte er ihr in den schmalen, schlecht beleuchteten Flur, der an einer Metalltür endete. Jedes Mal klopfte sein Herz bis zum Hals aus Furcht, sie wäre verschlossen, jedes Mal war sie offen, natürlich, die Tür zu den Mülltonnen, die in einem quadratischen Schacht standen. Keine Fenster in den Mauern, nur diese Tür, eine nackte Glühbirne an der Wand und hoch darüber der Himmel und seine Sterne.
Amel kam Sekunden nach ihm, glitt in seine Arme, eng umschlungen taumelten sie in die Dunkelheit hinter den Tonnen. Der Geruch ihrer Haut, ihrer Haare, Koseworte, die Wärme ihres Körpers kroch in seine Finger, nie mehr loslassen, dachte er.
Ein hastiger erster Kuss, dann löste Amel sich, flüsterte an seiner Wange: »General Soudani will, dass du überwacht wirst, er sagt, du hast dich mit einem Agenten getroffen, einem Amerikaner, den sie observieren.«
»Einem Amerikaner?«
»Heute morgen, ›Milk Bar‹.«
»Ein Freund, Steve, wir frühstücken manchmal zusammen.«
Sie erzählte, ein Soudani unterstellter Colonel habe ihr und Toumi am Mittag Fotos gezeigt. Eley und der Amerikaner in der »Milk Bar«, Eley im Bus hinauf nach El Biar, beim Betreten der deutschen Botschaft. Sie habe vorgeschlagen, sie werde mit ihm telefonieren, ihm drohen. Das müsse vorerst genügen, man könne einen deutschen Diplomaten nicht so ohne Weiteres observieren lassen.
»Droh mir«, sagte er.
Sie hob die flache Hand, runzelte die Stirn, sah furchterregend aus. »Ist er bei der CIA ? Dein Freund Steve?«
»Vielleicht ein bisschen.«
»Merde!«
Sie küsste ihn, fluchte an seinen Lippen, küsste ihn voller Hingabe, ihre Augen im Halbdunkel groß und verärgert und verliebt. Plötzlich war Eley erfüllt von Glück, ein völlig überraschendes, dummes Gefühl, er legte die Wange an ihre Schläfe, schloss die Augen, dachte, ich werde sie nie mehr loslassen.
»Du fliegst nach Tamanrasset?«
»Morgen Nachmittag, mit ein paar anderen, deine Kollegin kommt auch mit, Carla Liebig …«
Er sah sie an. »Carola …«
»Carola, ja. Wir treffen einen Mittelsmann, dann irgendwo in der Wüste einen Tuareg, der Kontakt zu der AQMI -Zelle hat.«
Eley zögerte. »Richter wurde nicht von AQMI entführt, Amel. Du kennst die Aufnahmen aus dem Gästehaus?«
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf, kleine Falten an der Nasenwurzel, die alles Mögliche bedeuten konnten, Zweifel, Ärger, Verwunderung oder alles zusammen. »Kennst du sie?«
»Ja.«
»Woher hast du sie? Von Steve?«
»Frag nicht, bitte.«
»Sie sind geheim, Ralf. Ihr stehlt Geheimunterlagen meines Landes.«
»So geheim, dass die zuständige Untersuchungsrichterin sie nicht sehen darf?«
Sie hob die Schultern, verzog den Mund. Er nahm ihr die Gleichgültigkeit nicht ab.
»Die Entführer sind keine Ausländer, sondern Algerier. Keine Islamisten. Toumi und Soudani wissen das.« Er sprach jetzt schnell, die Zeit lief ab, Amels Freundinnen warteten.
Ein Spitzel im Verteidigungsministerium, der die Geiselnehmer informiert hatte; die Vertreibung Ungläubiger nicht das Ziel, Richter war aus einem anderen Grund entführt worden; Toumi und Soudani, die ganz offensichtlich mehr wussten und logen.
Er schloss die Arme um sie, sein Mund dicht an ihrem Ohr, ließ ihr jetzt keinen Millimeter. Er wollte sie fragen, brachte es nicht über sich. Und du, Amel? Wie viel weißt du wirklich? Lügst du auch? Vertrau ihr, dachte er. Du musst vertrauen.
»In einem hast du recht«, flüsterte sie. »General Soudani verhält sich seltsam.«
Er wartete.
»Es scheint nicht nur um Richter zu gehen, sondern um mehr, um … viel mehr. Soudani informiert uns nicht, nicht einmal Toumi weiß genau, was los ist, alles ist plötzlich als streng geheim klassifiziert. Überall ist Bewegung, Hektik, Soudani ist meistens nicht erreichbar, Soldaten rücken aus, nicht nur im Süden, auch in der Kabylei und in Algier.«
Ihre Arme um seinen Hals waren schwer geworden, er spürte ihre Anspannung unter seinen Händen, der Körper fest und unbewegt.
»Aber warum Tamanrasset«, sagte sie, »wenn alles anders ist?«
»Soudani will den Schein wahren. Ihr sollt glauben, dass AQMI Richter hat. Ihr, wir.«
Sie nickte, senkte den Kopf, die Stirn fast an seiner
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